Der Gründungsstandort Deutschland verliert weiter deutlich an Attraktivität, das zeigt der aktuelle Report der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) zum Thema. Demnach sind mittlerweile fast sechs von zehn Gründerinnen und Gründer unzufrieden mit den Rahmenbedingungen hierzulande – sieben Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.
Gleichzeitig hat sich demnach der Anteil der sehr Unzufriedenen in den beiden zurückliegenden Jahren fast verdoppelt.
Das aktuelle Urteil der Gründenden und jungen Unternehmen fällt damit sogar schlechter aus als während der Corona-Pandemie. Folglich stagniert auch das Gründungsinteresse auf einem historisch tiefen Niveau. Trotz eines leichten Anstiegs im Vergleich zum Vorjahr lag die Zahl der von den Industrie- und Handelskammern (IHKs) im Jahr 2024 geführten Gesprächen mit Gründerinnen und Gründern immer noch auf dem zweitniedrigsten Wert seit der ersten Erhebung im Jahr 2003.
"Diese Entwicklung bereitet mir große Sorge, nicht nur als Präsident, sondern auch als Unternehmer", sagt DIHK-Präsident Peter Adrian. "Gründerinnen und Gründer sind ein Innovationsmotor unserer Volkswirtschaft. Wenn wir ihre Dynamik verlieren, verlieren wir Zukunft. Gerade junge Unternehmerinnen und Unternehmer sind es, die in schwierigen Zeiten Chancen erkennen und den Mut aufbringen, Neues zu wagen. Ihr Unternehmergeist verdient nicht nur Respekt, sondern auch bessere Rahmenbedingungen."
Deutschland hat aus Sicht der Gründenden weitestgehend hausgemachte strukturelle Probleme: Ein Berg von Bürokratie und Dokumentationspflichten, hohe Steuern, stark gestiegene Energie- und Arbeitskosten sowie eine unzureichende digitale Infrastruktur bremsen Unternehmertum aus. "Wir müssen den Standort Deutschland mit einer Vielzahl von Maßnahmen modernisieren – schnell, entschlossen und flächendeckend", so der DIHK-Präsident. "Die von der Bundesregierung vorgelegte Modernisierungsagenda könnte hierfür ein wichtiger Baustein sein, aber nur, wenn sie konsequent umgesetzt wird. Die IHK-Organisation steht bereit, diesen Weg aktiv zu begleiten."
Hauptmotiv: zum Gründen berufen
Laut DIHK-Report bleibt die "unternehmerische Berufung" der entscheidende Antrieb zur Gründung. In rund zwei Dritteln der IHK-Gründungsberatungs-Gespräche geben Interessierte den Wunsch, Unternehmer zu sein, als Hauptmotiv zur Gründung an. Aber auch andere Faktoren gewinnen an Gewicht. Der Mangel an Erwerbsalternativen liegt als Motiv zur Gründung mit 34 Prozent so hoch wie seit zehn Jahren nicht mehr. Bei den Gründerinnen spielt der Wunsch nach mehr Flexibilität, beispielsweise zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, traditionell eine überdurchschnittliche Rolle.
Ein Lichtblick ist das zunehmende Gründungsinteresse von Frauen. Mittlerweile lassen sich fast genauso viele Frauen wie Männer zum Thema Gründung beraten. Vor 20 Jahren lag der Anteil gerade bei etwas mehr als einem Drittel.
Bürokratieabbau ganz oben auf der Wunschliste
Die Gründerinnen und Gründer haben genaue Vorstellungen davon, wie Gründen wieder attraktiver werden kann: Nach Meinung von drei Vierteln der Befragten sind schnellere und einfachere Regularien nötig. Mehr als die Hälfte fordern ein einfacheres Steuerrecht. Weit oben auf der Liste der Gründenden stehen außerdem ein besserer Zugang zu öffentlichen Fördermitteln, mehr Verständnis für das Unternehmertum in der Gesellschaft und niedrigere Energiepreise.
DIHK-Präsident Adrian: "Wer den Wirtschaftsstandort verbessern will, sollte auf die Unternehmen hören und die Forderungen der Gründerinnen und Gründer ernst nehmen: Entlastungen bei Bürokratie und Kosten, einfache und schnelle Prozesse sowie mehr Wertschätzung für unternehmerisches Engagement – in Politik, Behörden, Schulen und allen anderen gründungsrelevanten Institutionen. Das sind entscheidende Stellschrauben, um den Standort Deutschland wieder auf Kurs zu bringen. In herausfordernden Zeiten wie heute brauchen wir den Mut und die Aufbruchstimmung der Gründerinnen und Gründer umso mehr."
Eine Gründung braucht mehr als eine Gewerbeanzeige
Nach den Erfahrungen der IHKs spielt für die Gründerinnen und Gründer schnelleres Tempo eine zentrale Rolle. Die Gründung eines Unternehmens soll deshalb zu Recht laut der Modernisierungsagenda künftig binnen 24-Stunden möglich sein.
Die Politik sollte dabei beachten: Eine Gründung umfasst neben der Gewerbeanzeige noch etliche weitere Vorgänge. So sollte etwa die Steuernummer in ganz Deutschland schneller erteilt werden. Ebenso sind rasche und verständliche branchenspezifische Genehmigungen wie etwa Stellplatzgenehmigungen, Parkgenehmigungen für Gewerbetreibende oder Genehmigungen für die Außenbewirtschaftung in der Gastronomie online von großer Bedeutung.
Wichtig wäre, auch die IHKs bei der Umsetzung mit einzubeziehen. "Die IHK-Organisation wird die Modernisierungsagenda der Bundesregierung nach Kräften unterstützen, weil wir möglichst schnell wieder auf einen Wachstumskurs kommen müssen", so Adrian.
Die kompletten Umfrageergebnisse gibt es hier zum Download: