In Deutschland wurde die Maut für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen auf allen Bundesstraßen und Autobahnen eingeführt. Dies betrifft insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen aus dem Transportgewerbe und anderen Branchen wie Messe- oder Gartenbau. Sie stehen vor der Herausforderung, die entstehenden Mehrkosten am Markt durchzusetzen.
Seit 1. Juli: Maut auch für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen
DIHK-Verkehrsexperte Thiele zweifelt an Lenkungswirkung der ErweiterungNachdem die Lkw-Maut in Deutschland bereits zum 1. Dezember 2023 deutlich erhöht wurde, gilt sie seit dem 1. Juli 2024 auch für kleinere Fahrzeuge mit einer technisch zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3,5 Tonnen. Wie hoch die Mautgebühren ausfallen, die die betroffenen Betriebe tragen müssen, lässt sich nicht pauschal sagen. Klar ist jedoch, dass insbesondere kleinere Betriebe mit erheblichen Mehrkosten konfrontiert werden. Die Höhe der Maut hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie etwa von der Länge der zurückgelegten Strecke oder der Schadstoffklasse. Emissionsfreie Fahrzeuge sind vorerst von der Mautpflicht befreit.
Erfasst werden kann die Maut mithilfe einer für diesen Zweck eingebauten On-Board-Unit (OBU), alternativ kann jede einzelne Fahrt manuell eingebucht werden. Die Mehreinnahmen durch die Maut sollen der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur dienen und vor allem für den Ausbau des Schienennetzes genutzt werden.
Wer fällt unter die "Handwerkerausnahme"?
Ausgenommen von der Mautpflicht sind Handwerksbetriebe und handwerksähnliche Gewerbe. Dass eine Fahrt unter diese Handwerkerausnahme fällt, ist bei einer Mautkontrolle nachzuweisen. Dazu müssen beispielsweise die Handwerks-/Gewerbekarte, eine Kopie der Gewerbeanmeldung, ein Lieferschein oder Kundenaufträge vorgelegt werden. "Wir begrüßen es, dass Forderungen der Industrie- und Handelskammern, auch handwerksähnliche Gewerbe von der Maut zu befreien, entsprochen wurde. Allerdings wurde der Kreis der Begünstigten zu eng gefasst", sagt Patrick Thiele, Leiter des Referats Nationale Verkehrspolitik und Verkehrswirtschaft bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer.
Betroffen von der Neuregelung sind nicht nur der Güterkraftverkehr, sondern auch Gewerbe wie Messebauunternehmen, Gartenbaubetriebe, Veranstaltungstechniker oder Hausmeisterdienste, die zwar als handwerksähnliche Gewerbe angesehen werden können, aber bei der Ausnahmeregelung nicht berücksichtigt wurden. "Viele Betriebe aus diesen Branchen haben sich in den vergangenen Monaten besorgt an die regionalen IHKs und die DIHK gewandt, weil sie davon ausgegangen waren, dass sie unter die Ausnahmeregelung fallen, und nun verunsichert sind angesichts der Kosten, die ab Sommer auf sie zukommen."
Die DIHK setzt sich bei der Bundesregierung dafür ein, dass weitere Gewerbe unter die Ausnahmeregelung fallen. Gleichwohl müssen sich die betroffenen Unternehmen auf die Gesetzesänderung einstellen. Das bedeutet laut Thiele nicht nur, sich schnellstmöglich um den Einbau der Geräte zur Mauterfassung und die Registrierung der Fahrzeuge zu kümmern. "Wichtig ist, dass die betroffenen Unternehmen jetzt ihre Kalkulation überdenken und die aus der Mautpflicht resultierenden Mehrkosten gegenüber ihren Kunden erläutern, und entsprechende Kostenerhöhungen durchsetzen. Und zwar so schnell wie möglich und nicht erst, wenn die neue Regelung in Kraft getreten ist." Die örtlichen IHKs unterstützen die Unternehmen dabei.
Mangel an emissionsfreien Alternativen
Selbst wenn die Mehrkosten vollständig an die Kunden weitergegeben werden können, könne dies zu Einbußen bei der Liquidität führen, da zwischen der Mautzahlung und dem Zahlungseingang durch die Kunden häufig sechs bis acht Wochen vergingen, warnt der DIHK-Verkehrsexperte. Zudem ist es laut Thiele fraglich, ob durch die Änderungen bei der Lkw-Maut mehr Unternehmen auf klimafreundliche Fahrzeuge umsteigen werden.
"Der Lenkungseffekt, den die Politik sich erhofft, wird voraussichtlich nicht eintreten. Denn das Problem besteht nicht darin, dass die Unternehmen kein Bewusstsein dafür haben. Die meisten hätten durchaus Interesse, auf alternative Antriebe umzusteigen", sagt Thiele. Dies sei jedoch für viele Unternehmen nicht möglich. Zum einen, weil die Anschaffungskosten für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben – insbesondere für kleinere Betriebe – zu hoch seien. Zum anderen mangele es am Angebot geeigneter Elektro- oder Wasserstofffahrzeuge.
"Die begrenzte Auswahl an Modellen sowie Lieferengpässe können die Umstellung für Unternehmen deutlich erschweren. Hinzu kommt, dass die Infrastruktur noch nicht flächendeckend ausgebaut ist und den breiten und bundesweiten Einsatz von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben verhindert", erläutert Louise Maizières, Leiterin des Referats Wasserstoff, Wärme und alternative Antriebe bei der DIHK. Mautpflicht und CO2-Preis könnten als Signale auf den Markt wirken, Voraussetzung für eine erfolgreiche Transformation sei jedoch die Verfügbarkeit von Fahrzeugen inklusive Ladeinfrastruktur zu einem wettbewerbsfähigen Preis. "Dies erfordert im Vorfeld einen starken Ausbau der Energieerzeugung sowie der Strom- und Wasserstoffnetze."
Bisher galt die Mautpflicht für Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen, nun sind auch Fahrzeuge mit einer technisch zulässigen Gesamtmasse (tzGm) von mehr als 3,5 Tonnen mautpflichtig. Nur Fahrzeuge mit genau 3,5 Tonnen – oder weniger – sind weiterhin von der Maut befreit. Fahrzeugkombinationen, also wenn zum Beispiel ein Anhänger angehängt wird, sind nur dann mautpflichtig, wenn die technisch zulässige Gesamtmasse des Zugfahrzeugs über 3,5 Tonnen liegt. Viele verbinden die Mautpflicht nur mit dem Transportgewerbe. Die neue Regelung betrifft aber alle, die Fahrzeuge über 3,5 Tonnen im Einsatz haben – vom Kurierdienst bis zum Taubenzüchterverein. Ausnahmen gibt es nur für bestimmte handwerkliche Tätigkeiten. Wir sprechen insgesamt von rund 300.000 Fahrzeugen, die ab Juli neu hinzukommen. Angesichts der bisherigen Registrierungszahlen scheint die neue Regelung noch nicht überall angekommen zu sein. Deshalb unser Appell: Bitte kümmern Sie sich rechtzeitig!
Was müssen Unternehmen tun, die von der Neuregelung betroffen sind?
Am komfortabelsten ist die Mauterhebung mit einer On-Board-Unit (OBU). Wer die Maut über Toll Collect bezahlen möchte, sollte so schnell wie möglich einen Termin für den OBU-Einbau mit einer unserer Partnerwerkstätten vereinbaren. Dabei fallen nur die Kosten für den Einbau an, das Gerät stellen wir kostenlos zur Verfügung. Die Höhe der Kosten hängt unter anderem davon ab, ob eine DIN-Schacht- oder eine Windschutzscheiben-OBU verwendet wird. Alternativ kann die Maut auch über unsere Website oder unsere App abgerechnet werden, dies ist jedoch deutlich aufwendiger und erfordert, dass die Route jeder mautpflichtigen Fahrt im Voraus genau angegeben wird.
Müssen auch diejenigen aktiv werden, die unter die Ausnahmeregelung fallen?
Ja, und das ist leider noch nicht allen betroffenen Unternehmen bekannt. Die Liste der handwerklichen Tätigkeiten, für die die Handwerkerausnahme gilt, kann auf der Internetseite des Bundesamtes für Logistik und Mobilität (BALM) eingesehen werden. Wer sich hier wiederfindet, sollte seine Fahrzeuge bei Toll Collect online melden. Diese werden dann von den Kontrollbrücken und -säulen automatisch als potenziell nicht mautpflichtig erkannt.
Welche Strafen drohen, wenn man nicht rechtzeitig umstellt?
Wer kontrolliert wird und keine Maut entrichtet hat, den erwartet zunächst eine Nachzahlung. Kann die gefahrene Strecke nicht ermittelt werden, wird eine Mindeststrecke von 500 Kilometern zugrunde gelegt. Unter Umständen drohen auch ein Ordnungswidrigkeitsverfahren und ein Bußgeld. Wenn jemand vorsätzlich handelt und seine Fahrer anweist, keine Maut zu zahlen, kann es richtig teuer werden.
Wo finden Unternehmen weitere Informationen?
Auf der Website von Toll Collect werden viele Fragen rund um die Maut beantwortet. Dort finden Sie auch eine Liste mit rund 1.300 Servicewerkstätten, bei denen Sie einen Termin für den Einbau einer OBU vereinbaren können. Außerdem können Sie auf unserer Website Handwerkfahrzeuge melden. Darüber hinaus bieten wir derzeit regelmäßig Webinare an, in denen wir über die Maut für Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen und die Handwerkerausnahme informieren und in denen auch Fragen gestellt werden können. Ein Angebot, das sehr gut angenommen wird.