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"Jeder Stau kostet Geld"

Georg Dettendorfer, Vorsitzender des DIHK-Verkehrsausschusses

Georg Dettendorfer der Vorsitzende des DIHK-Verkehrsausschusses

© IHK für München und Oberbayern

Georg Dettendorfer wurde im Juni 2021 als Vorsitzender des DIHK-Verkehrsausschusses wiedergewählt. Uns erzählt er, warum es in der Logistikbranche trotz des Wachstums Probleme gibt.

Klimawandel, Diesel-Skandal, Maut-Debakel: Verkehr ist ein umstrittenes Politikfeld …

Logistik ist Dienstleister für die restliche Wirtschaft. Wenn Logistik nicht funktioniert, tut es auch die restliche Wirtschaft nicht: Produkte und Dienstleistungen müssen vom Anbieter an den Kunden gelangen, damit Wertschöpfung und Wirtschaftsleistung entstehen können.

Wir befinden uns ohne Zweifel in einer Phase des Übergangs und der Veränderung. Das zeigt schon ein Blick in die gesetzlichen Vorgaben: Die Politik hat uns auferlegt, bis zum Jahr 2035 exakt 60 Prozent weniger CO2 auszustoßen als das im Jahr 1990 der Fall war.

Halten Sie das für machbar?

Technisch haben wir uns enorm weiterentwickelt. Der Ausstoß von Schadstoffen wurde massiv reduziert, die Fahrzeuge erfüllen mittlerweile die Emissionsnorm Euro 6. Und trotzdem haben sich in Summe die Emissionen im Vergleich zu den 90ern nicht verringert. Warum? Weil sich der Verkehr seitdem stark erhöht hat. Die jährlichen Zuwachsraten liegen bei 3 bis 4 Prozent. Und das wird so bleiben: Der Versandhandel boomt. Außerdem haben viele produzierende Unternehmen ihre Läger aufgelöst und lagern die Waren "Just in time" auf den öffentlichen Verkehrsmagistralen und Terminals.

Um signifikant CO2 einzusparen – und das wollen und müssen wir –, kommen wir um einen großen Sprung nicht herum. Und das wird ein Wechsel in der Antriebstechnik sein – ob nun zu Gas, Wasserstoff oder Batterieelektrik. Darüber hinaus müssen mehr Güter mit der Bahn transportiert werden. Noch werden 70 Prozent der Güter auf der Straße bewegt. Das ist zu viel.

Warum sind wir da noch nicht weiter?

Ein Beispiel: Mit dem Brennerbasistunnel wird im Moment an der längsten unterirdischen Eisenbahnverbindung der Welt gebaut. Er soll den Alpenhauptkamm unterqueren und eine Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Berlin und Palermo ermöglichen. Die Fertigstellung ist für 2032 angekündigt. Allein: Durch politische Verzögerungen wird der Bau der deutschen Bahnzulaufstrecken wohl erst im Zeitraum 2040/45 abgeschlossen sein. Eine Farce!

Dass die Bevölkerung baulichen Großprojekten mit maximalem Argwohn begegnet, ist da nicht hilfreich. Jeder muss verstehen: Wir leben von der infrastrukturellen Substanz. Mit jeder einsturzgefährdeten Brücke gerät auch unser Wohlstand ins Wanken. Besonders bizarr: Selbst dort, wo der politische Willen vorhanden ist, um Infrastruktur-Projekte voranzutreiben, kommt oft nichts zustande. Weil in den Behörden Ingenieure fehlen, die neue Straßen, Schleusen und Schienen planen könnten… Heute kann man sich kaum noch vorstellen, dass Deutschland einmal Logistik-Weltmeister war.

Wie wirkt sich das auf die Unternehmen aus?

Jeder Stau, jede gesperrte Überführung kostet Geld. Das sind unnötige wirtschaftliche Schäden. Dabei stehen die Logistikunternehmen schon genug unter Druck: Die Konkurrenz aus Osteuropa mit deutlich niedrigeren Personalkosten sorgt für einen ungesunden Wettbewerb. Darunter leiden die Einkommen der Fahrer, was wiederum den Beruf unattraktiver macht. Statistisch gesehen fehlen in Deutschland 60.000 Berufskraftfahrer – Tendenz jährlich steigend. Und leider fehlt der Nachwuchs. Dieser Fachkräftemangel macht uns zu schaffen.

Das EU-Mobilitätspaket, das im letzten Jahr verabschiedet wurde, könnte da helfen. Mit ihm wurden etwa Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern im grenzüberschreitenden Verkehr eingeführt. Doch damit es wirken kann, muss auch wirklich kontrolliert und sanktioniert werden! Überhaupt erwarten wir uns mehr Engagement aus Berlin und Brüssel in der Verkehrspolitik: Infrastruktur europäisch denken, Innovationen fördern, Bürokratie abbauen!

Kontakt

Porträtfoto Patrick Thiele
Dr. Patrick Thiele Referatsleiter Nationale Verkehrspolitik, Verkehrswirtschaft

Zur Person

Georg Dettendorfer führt zusammen mit Vater und Bruder die Johann Dettendorfer Spedition in Nußdorf am Inn. Für das im Jahr 1825 gegründete oberbayerische Familienunternehmen sind heute über 650 Mitarbeiter an 13 Standorten tätig.

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