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"Wer schläft, wird verschwinden"

Torsten Wunderlich steht vor einem grünen Fiat vor dem Brandenburger Tor in Berlin

Torsten Wunderlich ist Vorsitzender des IKT-Ausschusses

© DATEV

Torsten Wunderlich wurde im März 2023 erneut zum Vorsitzenden des DIHK-Ausschusses für Informations- und Kommunikationstechnologie gewählt. Warum aus seiner Sicht an der Digitalisierung der Betriebe kein Weg vorbeiführt, können Sie in unserem Interview nachlesen.

Herr Wunderlich, besteht unsere Zukunft ausschließlich aus Bits und Bytes?

Manche träumen seit 30 Jahren von einer vollständigen Digitalisierung aller Lebensbereiche. Davon sind wir nach wie vor ein gutes Stück entfernt. Vermutlich wird es immer Reste von analogen Prozessen geben – wo sie einen Mehrwert bieten, auch im Wirtschaftsleben.

Unbestreitbar ist aber, dass die Möglichkeiten der digitalen Welt für praktisch alle Betriebe große Vorteile bereithalten. Und mit der neuen Bundesregierung wird die Digitalisierung in Deutschland einen neuen Schub erhalten, unabhängig vom Wahlausgang. Denn: Alle Parteien haben ihr politische Priorität eingeräumt, schon um zentrale Resilienzziele zu erreichen.

Wenn mein Betrieb eine Internetseite hat, reicht das dann schon?

Datenökonomie, E-Government, IT-Sicherheit/Datenschutz: Diese Begriffe sollte sich jeder Unternehmer merken, wenn er sie noch nicht kennt. Und dann natürlich die Plattformökonomie: Geschäftsprozesse werden nur noch ausnahmsweise ohne Plattformen wertschöpfend sein. Für die Nutzer sind sie schlichtweg der sicherste, transparenteste und einfachste Weg zu Produkt oder Dienstleistung.

Und der Ökosystem-Gedanke sollte auch in der mittelständischen Wirtschaft selbstverständlich sein: Wo stehe ich in meinem Teilmarkt, und wie stehen Partner, Kunden und Verwaltung zu mir? Wer systemisch denken kann und will, ist im Vorteil.

Die Betriebe müssen ihr Anpassungsvermögen optimieren und Veränderungen konsequent mitgestalten. Wer schläft, wird verschwinden. Das gilt auch für das Arbeiten mit digitalen Plattform- und Netzwerksystemen wie der gerade entstehenden europäischen Cloud "Gaia-X".

Klingt etwas kompliziert?

Sicher, es verändern sich im Moment verschiedene Felder recht stark, und zwar gleichzeitig. Aber: Nichts davon ist eine Raketenwissenschaft. Und man kann delegieren: IT-Sicherheit und Compliance an die Plattform etwa. Als Einzelner kann man sich gegen einen gezielten Hackerangriff kaum noch schützen. Da ist es gut, wenn gerade betriebswirtschaftliche Datenqualitäten an einem sicheren Ort mit hoher Verfügbarkeit gespeichert sind.

Die Kammerorganisationen können dabei zu echten Vermittlungsgewinnern werden. Die Dachorganisation arbeitet ein Thema verständlich und praxisnah auf, die Kammern vor Ort kommunizieren das an den Mittelstand – sozusagen als Übersetzungsleistung. Das wird gerade kleinere und mittlere Betriebe weiterbringen, die sich keine eigene IT-Abteilung oder externe Berater leisten können.

Also "alles easy", oder sehen Sie auch – virtuelle – Stolpersteine?

Wir müssen darüber sprechen, wie wir mit der Dominanz einzelner Warenplattform-Anbieter gerade im B2B-Bereich umgehen. Ist diese Monopolisierung noch gesund – oder geraten wir in eine bedenkliche Abhängigkeit mit Souveränitätsverlusten? Für Mittelständler könnten regionale Plattformen perspektivisch eine Alternative sein, die mancherorts schon gut funktionieren, aber insgesamt noch nicht konkurrenzfähig sind.

Und dann ist da noch die digitale Verwaltung. Spätestens bei Beantragung und Auszahlung der Corona-Überbrückungshilfen, aber auch schon vorher – etwa bei den Gesundheitsämtern – wurden massive Verwaltungsmängel transparent. Der Normenkontrollrat hat dazu gerade einen interessanten Impuls veröffentlicht. Deutschland hinkt hinterher, befindet sich im europäischen Vergleich nur im unteren Mittelfeld. Für die neue Bundesregierung sollte es Ansporn und Ziel werden, in den kommenden fünf Jahren in die Top 5 zu kommen …

Als Ausschuss wollen wir hier Ideengeber und Antreiber sein. Konkretes Beispiel: Jedes Unternehmen braucht aus meiner Sicht eine eigene ID, eine digitale Unternehmensidentität, unter der in Echtzeit Informationen und Prokura abrufbar sind. Auch der direkte Zugang zur öffentlichen Verwaltung muss dadurch möglich sein, schnell und unkompliziert. Das sollte doch umsetzbar sein, finden Sie nicht?

Kontakt

Porträtfoto Katrin Sobania
Dr. Katrin Sobania Referatsleiterin Informations- und Kommunikationstechnologie | E-Government | Postdienste | IT-Sicherheit

Zur Person

Torsten Wunderlich ist seit 2009 Leiter des DATEV-Informationsbüros in Berlin, zuvor war er in Nürnberg Projektleiter für elektronischen Rechtsverkehr. Nach seinem BWL/VWL-Studium war der Berliner in verschiedenen Funktionen mit Themen wie E-Government, E-Rechtsverkehr und elektronische Identität befasst.

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