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"Wir werden immer gebraucht"

Porträit Karin Overlack

Dr. Karin Overlack, Vorsitzende des DIHK-Ausschusses für Gesundheitswirtschaft

© Peter Hübbe

Im Mai 2025 wurde Karin Overlack zur Vorsitzenden des DIHK-Ausschusses für Gesundheitswirtschaft gewählt. In unserem Interview erzählt sie, warum Deutschlands führende Rolle in der Gesundheitswirtschaft in Gefahr ist – und wie wir gegensteuern können.

Die deutsche Wirtschaft kränkelt. Betrifft das auch Ihre Branchen?

Die Gesundheitswirtschaft steht im Kontext der Gesamtwirtschaft. Natürlich bleiben auch unsere Betriebe vom aktuellen Trend nicht verschont. Aber: Gesundheitsversorgung wird immer gebraucht – auch in Krisenzeiten. Das macht die Unternehmen der Gesundheitswirtschaft besonders robust und resilient.

Dafür treiben uns ganz grundsätzliche Probleme um: Wie können wir dem demographischen Wandel begegnen? Wie sollen immer mehr ältere Menschen mit immer höherem Versorgungsbedarf von immer weniger jungen Menschen betreut werden können? Und vor allem: Wie lässt sich dieses System auf Dauer finanzieren?

Klingt herausfordernd ...

Deutschland war einmal eines der innovativsten Länder der Welt. Hierzulande wurde erfunden und entwickelt, was auf der ganzen Welt genutzt wurde. Diesen Innovationsgeist bräuchten wir wieder, um den Fragen unserer Zeit begegnen zu können. Leider wird uns zunehmend der Rang abgelaufen, insbesondere von den Vereinigten Staaten, aber immer mehr auch von China.

Wie kommt das?

Regularien. Sie sorgen dafür, dass Forschung, Entwicklung und Inverkehrbringung hierzulande extrem schwierig geworden sind. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ab 2005 kamen Produkte auf den Markt, mit denen Herzklappen Katheter-basiert über die Leiste repariert werden konnten. Bis dahin war das nur mit großen herzchirurgischen Eingriffen möglich. Erstmals konnten also die Herzklappen therapiert werden, ohne dass dafür der Brustkorb geöffnet werden musste. Eine medizinische Revolution – erfunden und entwickelt von amerikanischen und zum Teil auch von deutschen Start-ups, getestet ganz zuvorderst in Deutschland. Das hat deutsche Unternehmen zu den unangefochtenen Marktführern für diese Produkte gemacht. Als Inverkehrbringer von Innovationen waren wir für die Industrie wahnsinnig interessant. Doch alle Weiterentwicklungen dieser Methodik, inklusive der Erstvermarktung neuer Produkte, wurden zuletzt in anderen Ländern vorgenommen. Deutschland hat durch bürokratische Hemmnisse aus Brüssel und Berlin den Anschluss verloren.

Kann noch umgesteuert werden?

Ja. Insbesondere in der Medizintechnik und in der Biotechnologie sehe ich Zukunftsfelder für die deutschen Unternehmen der Gesundheitswirtschaft. Wir sind immer noch ein Land der brillanten Köpfe. Bloß sollten ihre Ideen auch hierzulande zur Geltung kommen können – und nicht nur im Ausland. Dazu muss radikal entbürokratisiert werden. Die Einführung neuer medizinischer Produkte muss vereinfacht und beschleunigt werden, dann bleibt auch die Wirtschaftsleistung erhalten. Gelingt uns das, kann der globale Medizinmarkt wieder von deutscher Exzellenz und den Produkten deutscher Unternehmen mitdominiert werden.

Kontakt

N. N. Referatsleitung Gesundheitswirtschaft

Zur Person

Dr. Karin Overlack leitet seit mehr als zehn Jahren das Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW) in Bad Oeynhausen. Von 2005 bis 2015 war sie Geschäftsführerin des Universitären Herzzentrums (UHZ) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Zuvor war die studierte Medizinerin fünf Jahre als Unternehmensberaterin für The Boston Consulting Group tätig.

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