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Nachhaltigkeitsberichterstattung: Freiwilliger Standard für KMU

Die Empfehlung der EU-Kommission für einen "VSME"
Metallröhren im Lager

Auch mittelständische Zulieferer sind indirekt von der Nachhaltigkeitsberichterstattung betroffen

© Carlos. E. Serrano / Moment /Getty Images

In der Praxis müssen sich oft auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung auseinandersetzen. Die EU-Kommission hat nun eine Empfehlung für einen freiwilligen KMU-Standard herausgegeben. Dieser "Voluntary SME-Standard" (VSME) könnte kleineren Betrieben helfen, den Anfragen ihrer Geschäftspartner nach Nachhaltigkeitsinformationen in der Wertschöpfungskette nachzukommen und ihre Nachhaltigkeitsziele und -projekte einfacher darzustellen.

Nicht kapitalmarktorientierte kleinste, kleine und mittlere Unternehmen sind von der gesetzlichen Pflicht, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen, zwar nicht erfasst. Sie werden in vielen Fällen jedoch von ihren Geschäftspartnern und Kunden aufgefordert, Nachhaltigkeitsinformationen bereitzustellen – teilweise auch unterschiedliche. (Welche Unternehmen verpflichtet sind, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen, können Sie hier nachlesen).

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum VSME  haben wir hier zusammengestellt: 

Die EU-Kommission kann Empfehlungen erlassen, die im Amtsblatt der EU in allen Sprachen der Mitgliedstaaten veröffentlicht werden. Eine Empfehlung der EU-Kommission ist grundsätzlich unverbindlich. 

Die Kommission möchte der Unsicherheit in den Wertschöpfungsketten entgegenwirken. Der VMSE soll den KMU helfen, die vielen Anfragen zu Nachhaltigkeitsangaben strukturierter zu bewältigen und zu vereinheitlichen. 

Die Empfehlung wird noch im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Die deutsche, englische und französische Version sind auf der Website der EU-Kommission abrufbar. 

Nein. Der VSME ist bisher noch nicht in der europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie beziehungsweise den EU-Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards (European Sustainability Reporting Standards/ESRS) verankert. Der Vorschlag der EU-Kommission zum sogenannten Omnibus-Verfahren sieht dies jedoch vor. 

Die EU-Kommission hatte vor einiger Zeit die "European Financial Reporting Advisory Group" (EFRAG) gebeten, einen freiwilligen Standard für KMU zu entwickeln. EFRAG hat Anfang 2024 einen ersten Entwurf vorgelegt, zu welchem Anmerkungen möglich waren und Praxistests durchgeführt wurden. Der überarbeitete Standard wurde dann Ende 2024 an die EU-Kommission übermittelt. 

Die EU-Kommission hat Ende Februar 2025 in dem sogenannten Omnibus I zur Nachhaltigkeit vorgeschlagen, die Nachhaltigkeitsberichterstattung ("Corporate Sustainability Reporting Directive", CSRD) zu überarbeiten. Dabei sollen auch die Informationen, die berichtspflichtige Unternehmen über ihre Wertschöpfungskette einholen müssen, mittels einer "Obergrenze" beschränkt werden, die sich grundsätzlich nach den Mindestvorgaben des VSME richtet. Allerdings gibt es auch Ausnahmen. 

In diesem Zusammenhang ist auch geplant, einen VSME als delegierte Verordnung zu erlassen, womit er verbindlichen Charakter gewinnen würde.

Das kann im Moment noch nicht ausgeschlossen werden und dürfte von den weiteren Beratungen von Rat und EU-Parlament zum "Omnibus-Verfahren I" abhängen. Mit deren Abschluss wird frühestens Ende 2025 gerechnet.

Die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderte Plattform des Deutschen Nachhaltigkeitskodex plant, neben entsprechenden Tools für die Nachhaltigkeitsberichterstattung für berichtspflichtige Unternehmen auch eine digitale Unterstützung für KMU beziehungsweise den VSME anzubieten. 

EFRAG stellt unter www.efrag.org vielfältige Unterstützungsmaterialen breit. Dort gibt es einerseits erklärende Videos zu den einzelnen inhaltlichen Punkten aus dem VSME, die auch in Deutsch vorliegen. Zum anderen sind eine digitale Excelvorlage zum Ausfüllen des VSME (bisher noch nur auf Englisch) sowie perspektivisch weitere Leitfäden abrufbar. Das Angebot wird weiter ausgebaut und auch mit den Hilfen in den jeweiligen Landessprachen verlinkt. 

Wie sieht der Inhalt des VSME aus?

Der VSME bietet zwei Module an (für das individuelle Unternehmen oder auf konsolidierter Grundlage): das Basismodul und das Zusatzmodul. Sie enthalten Nachhaltigkeitsinformationen zu umweltbezogenen und sozialen Themen sowie zur Unternehmenspolitik.

Ein Unternehmen könnte das Basismodul allein oder das Basismodul ergänzt durch das Zusatzmodul anwenden 

Anwendungsmöglichkeiten:

Variante 1Variante 2
Basismodul Basismodul 
 Zusatzmodul


Der Bericht nach dem VSME soll – soweit er auf Anfrage von großen Unternehmen oder Banken erfolgt – jährlich erstellt werden. Wenn das KMU einen Jahresabschluss erstellt, soll der VSME-Bericht zur gleichen Zeit wie der Jahres-/Konzernabschluss zur Verfügung stehen. Das KMU kann entscheiden, ob es seinen Bericht nach dem VSME veröffentlicht. Bestimmte vertrauliche Informationen darf das Unternehmen weglassen, hat jedoch anzugeben, wenn diese Option genutzt wird. Ab dem zweiten Jahr sollen Vergleichszahlen zum Vorjahr in den Bericht aufgenommen werden.

Die zwei Module erwarten einige Angaben seitens des Unternehmens und stellen andere Datenpunkte unter dem "if applicable/falls zutreffend"-Ansatz. In diesem Fall hat ein KMU, das den VSME anwendet, die Angaben nur vorzunehmen, soweit sie für das KMU relevant sind.

Das Basismodul des VSME richtet sich an Kleinstunternehmen im Sinne der Rechnungslegungsrichtlinie und enthält die geringsten Anforderungen. Für kleine und mittlere Unternehmen soll er als Mindestanforderung zu verstehen sein. Die inhaltlichen Angaben des Basismoduls gliedern sich auf in die Ziffern B 1 bis B 11. Ergänzend steht ein Leitfaden mit Erläuterungen (Annex 2) zur Verfügung, der Berechnungsbeispiele, Formeln, weiterführende Internetlinks et cetera enthält.

Die Angaben in B 1 fordern Informationen, welches Modul vom Unternehmen angewendet wird, ob es auf konsolidierter Ebene oder individueller Ebene genutzt wird und bei Bericht auf konsolidierter Ebene die Nennung der erfassten Tochtergesellschaften mit ihrer registrierten Adresse. Angegeben werden soll auch, ob und gegebenenfalls welche bestimmten vertraulichen Informationen weggelassen werden. Zudem ist die Rechtsform des Unternehmens, der NACE-Code (Klassifikation des Wirtschaftszweigs), Bilanzsumme, Umsatz, Anzahl der Beschäftigten in Köpfen oder Vollzeitäquivalente, Land der Haupttätigkeit und Angabe der Orte, an dem sich wesentliche Vermögenswerte befinden, und die Angabe der Geoposition von Standorten, die das Unternehmen besitzt, gemietet oder verwaltet. 

Verfügt das KMU über ein Nachhaltigkeitszertifikat oder Ähnliches, soll es eine kurze Beschreibung des Zertifikats und des Ausstellers, Datum und Rating, soweit gegeben, beifügen.  Zudem soll das Unternehmen kurz spezifische Verfahrensweisen, Richtlinien, künftige Initiativen beschreiben, die auf einen Übergang  zu einer nachhaltigeren Wirtschaft abzielen, falls diese vorhanden sind. 

B3 bis B7 sehen verschiedene umweltbezogene Informationen vor. Darunter fallen etwa der Gesamtenergieverbrauch aufgegliedert nach erneuerbaren und nicht erneuerbaren Energieträgern und die geschätzten direkten und standortbezogenen Treibhausgasemissionen (Scope 1 und 2). Schadstoffemissionen sind nur anzugeben, sofern dies im Umweltmanagement oder Behörden aufgrund von bestehenden nationalen Vorschriften mitgeteilt werden muss. Zudem werden Daten zu Wasserentnahme und Wasserverbrauch sowie Angaben zum Abfall- und Recycling und Kreislaufwirtschaft gefordert. 

Soziale Aspekte werden in B8 bis B10, unter anderem mit der Anzahl der Beschäftigten aufgegliedert nach Vertragsarten, Geschlecht, Ländern, Vergütung et cetera behandelt. B11 befasst sich zudem mit Angaben zu Verurteilungen und Geldstrafen wegen Korruption und Bestechung.

Das Zusatzmodul sieht in C1 Angaben der Kernelemente des Geschäftsmodells und der Unternehmensstrategie vor. Eine Beschreibung der Verfahrensweisen, Richtlinien und zukünftigen Initiativen zum Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft enthält C2. Die Abschnitte C3 und C4 umfassen weitere umweltbezogene Angaben, C5 bis C7 soziale Daten und Informationen. C8 und C9 fordern Angaben zu Umsätzen aus bestimmten Sektoren sowie zur Geschlechtervielfalt im Leitungsorgan. 

Konsultation des ersten VSME-Entwurfs: der DIHK-Beitrag 

Im Rahmen einer Konsultation von Januar bis Mai 2024 hatte die EFRAG um Einschätzungen und Bewertungen des VSME-Entwurfs gebeten. Dabei waren Antworten von KMU, die den VSME anwenden können, ebenso von Bedeutung wie die der großen Unternehmen und Geschäftspartner, die Daten der KMU anfordern

Die DIHK hat sich Mitte Mai 2024 mit einer Stellungnahme dazu geäußert: DIHK-Stellungnahme zur Konsultation EFRAG (PDF, 305 KB)

Pilotprojekt zur Eignung des VSME ESRS

Um die Vorschläge von EFRAG auf ihre Eignung und Angemessenheit für KMU hin zu überprüfen, haben sich zwölf Mitgliedsunternehmen bereit erklärt, sich im Detail mit den Anforderungen des VSME ESRS zu befassen und die praktische Anwendbarkeit und Umsetzbarkeit zu analysieren.

Die teilnehmenden KMU kamen aus verschiedensten Branchen und Regionen, die Beschäftigtenzahl reicht von 20 bis zu 200.

Die DIHK, das Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) und die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) haben die Unternehmen von Januar 2024 bis Mai 2024 begleitet und im Zuge dessen Einführungs-Workshops zu den Modulen des VSME durchgeführt, Übersetzungen der Anforderungen des VSME ESRS bereitgestellt und zahlreiche Auswertungsgespräche geführt.

Die Ergebnisse der Arbeit dieser Pilotgruppe, die DIHK, DRSC und DHBW gemeinsam mit den Unternehmen der EU-Kommission vorgestellt haben, gibt es hier zum Nachlesen:

Ergebnisse der Pilotgruppe zum Entwurf des VSME ESRS (PDF, 136 KB)

Kontakt

Porträtfoto Cornelia Upmeier
Cornelia Upmeier Referatsleiterin CSR | Sonderprojekte

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Porträtbild Annika Böhm, Referatsleiterin Gesellschafts- und Bilanzrecht
Annika Böhm Referatsleiterin Gesellschafts- und Bilanzrecht

DIHK-Stellungnahme zum VSME

In einer Konsultation zum ersten VSME-Entwurf fragte die EFRAG im Mai 2024 sowohl die Betriebe, die den VSME-Standard anwenden können, als auch der großen Unternehmen, die diese Informationen für die eigene Berichterstattung verwenden wollen, nach ihren Einschätzungen. Die DIHK hat die Bewertungen der gewerblichen Wirtschaft in ihre Stellungnahme gegenüber EFRAG und weiteren Adressaten aufgenommen und am 16. Mai veröffentlicht:

Icon zu den Wirtschaftspolitischen Positionen der IHK-Organisation

Wirtschaftspolitische Positionen der DIHK

Nach einem intensiven Abstimmungsprozess hat die DIHK-Vollversammlung der 79 IHKs Ende November 2024 die Wirtschaftspolitischen Positionen der DIHK beschlossen. Sie formulieren die Leitlinien für grundsätzliche Positionen in insgesamt 32 relevanten Politikfeldern und bilden die inhaltliche Basis für die wirtschaftspolitische Arbeit sowie Äußerungen und Stellungnahmen der DIHK.