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Wirtschaftliche Offenheit bewahren – Internationale Kooperation stärken

Jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland hängt direkt oder indirekt am Exportgeschäft, in der Industrie sogar jeder zweite. Die deutschen Unternehmen leben vom globalen Wettbewerb. Gleichzeitig profitieren deutsche Konsumenten von dem breiteren und günstigen Warenangebot, das durch den internationalen Handel möglich wird. Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Protektionismus, gestiegener geopolitischer Risiken und einer geringeren Wettbewerbsfähigkeit benötigen wir eine kluge EU-Handelspolitik und eine ambitionierte EU-Wettbewerbsagenda. Dabei müssen wir unseren Partnern auf Augenhöhe begegnen.

Zum Abbau von Handelshemmnissen und der Sicherung und Diversifizierung von Lieferketten brauchen wir den raschen Abschluss von Handelsabkommen mit Mercosur, Indonesien und Indien sowie weiteren Zukunftsmärkten sowie verlässliche transatlantische Handelsbeziehungen. In Zeiten einer sich abzeichnenden Fragmentierung der Weltwirtschaft kommt einer Reform der Welthandelsorganisation (WTO) als Hüterin multilateraler Handelsregeln eine immer höhere Bedeutung zu. Für die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft sind internationale Kooperationen unerlässlich: Statt eines Subventionswettlaufs und komplexer unilateraler Instrumente wie des CO2-Grenzausgleichmechanismus CBAM brauchen wir einen internationalen Klimaclub. Damit die notwendige Diversifizierung gelingen kann, brauchen die Unternehmen praxisnahe Regeln.

Konkrete Ansatzpunkte können sein:

Abschluss von Handelsabkommen vorantreiben

Die Bundesregierung sollte sich für die rasche Ratifizierung der EU-Abkommen mit Chile, Neuseeland und Kenia sowie den Abschluss der Abkommen mit Mercosur, Indien, Indonesien, Mexiko, Thailand und Australien einsetzen. Mit den USA sollten die Zollkonflikte beigelegt und Handelshemmnisse wie Doppelzertifizierungen abgebaut werden. Weniger als die Hälfte des EU-Außenhandels wird durch Handelsabkommen abgesichert. Viele wichtige Märkte bleiben ohne diese Abkommen für deutsche Unternehmen schwer zugänglich. Unternehmen brauchen ehrgeizige Handelsabkommen mit wichtigen Handelspartnern, um die Weltmärkte für deutsche Unternehmen zu öffnen und die Lieferketten abzusichern und zu diversifizieren. Die Bundesregierung sollte zudem die Reform der Welthandelsorganisation (WTO) vorantreiben, um den regelbasierten Welthandel abzusichern. Handel mit Drittstaaten, mit denen die EU keine Handelsabkommen hat, werden nur über die Regeln der WTO abgedeckt. Die WTO setzt einheitliche Regeln für den Welthandel durch, ist aber in einer Krise, unter anderem durch einen nicht funktionsfähigen Streitbeilegungsmechanismus und durch eine notwendige Modernisierung.


Hintergrund: Über die Hälfte der außereuropäischen deutschen Exporte ist nur durch WTO-Regeln abgedeckt. Über die Hälfte der auslandsaktiven Unternehmen wünscht sich zur Unterstützung ihrer Diversifizierungsbemühungen ehrgeizige Handelsabkommen mit wichtigen Handelspartnern, 38 Prozent wünschen sich bessere multilaterale Regeln etwa in der WTO (Quelle: Going International 2023)

Weniger Bürokratie im Außenhandel

Die Politik sollte bei der Vielzahl an Nachhaltigkeitsregulierungen viel stärker den Austausch mit Handelspartnern suchen, auf eine unbürokratische Ausgestaltung setzen und die Unternehmen bei der Umsetzung unterstützen. Weltweit nimmt der Protektionismus zu, aber auch die deutsche und europäische Außenhandelsbürokratie (CBAM, Lieferkettengesetz, Entwaldungsverordnung et cetera) erschwert den Handel. Dies zu begrenzen und somit wettbewerbsfähiger zu werden, haben wir in der eigenen Hand. Die Politik sollte sich für Praxisnähe bei der anstehenden Reform der EU-Zollunion einsetzten. Hierzu gehören vor allen Dingen ein zeitnaher Abbau komplexer Zollbestimmungen und -tarife, ein effektives gemeinsames Risikomanagement und die Umsetzung von in der Vergangenheit versprochenen Erleichterungen für autorisierte Wirtschaftsbeteiligte (AEO), die zu über 70 Prozent aus KMU bestehen.


Hintergrund: 56 Prozent der auslandsaktiven Unternehmen haben im Jahr 2022 eine Zunahme von Handelsbarrieren bei ihren internationalen Geschäften gespürt, so viele wie noch nie seit Beginn der Umfrage. 23 Prozent der Unternehmen ab 3.000 Beschäftigte, die im Jahr 2023 unter das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz fallen und Maßnahmen zur Minimierung von menschenrechts- und umweltbezogenen Risiken in ihren Lieferketten planen, planen den Rückzug oder die Beendigung von Geschäftsbeziehungen aus Risikomärkten. (Quelle: Going International 2023)

Weniger Staat im Außenhandel

Einen staatlich gelenkten Außenhandel und eine staatliche Prüfung von Auslandsinvestitionen sieht die Wirtschaft kritisch. Vor dem Hintergrund einer notwendigen Diversifizierung sollten Entscheidungen über Lieferketten weiterhin von Unternehmen getroffen werden. Die Wirtschaft steht hinter Entscheidungen der Politik zum Schutz der nationalen Sicherheit, etwa bei der Reduzierung kritischer Abhängigkeiten. Diese Abwägung findet jedoch immer in einem Spannungsfeld statt und sollte im Austausch mit der Wirtschaft erfolgen.


Hintergrund: Die EU analysiert gezielt die strategischen Abhängigkeiten etwa im Rohstoff-, Energie- und Technologiebereich und sucht Lösungen für deren Reduktion. Die neue EU-Wirtschaftssicherheits-Strategie zielt auf die Reduktion strategischer Abhängigkeiten und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ab: Wettbewerbsfähigkeit der EU fördern, das Handelsschutz-Instrumentarium verbessern und mehr Zusammenarbeit mit wichtigen Partnern. Konkret sollen etwa Exportkontrollen und Investitionsprüfungen in der EU stärker harmonisiert werden.