Pfadnavigation

GWB: Bewährte Rechtsdurchsetzung nicht ohne Not schwächen

Verbände positionieren sich zu geplanten Änderungen im Wettbewerbsrecht
Außenansicht des Bundeskartellamtes in Bonn

Diskutiert wird, die Befugnisse des Bundeskartellamts in Bonn zu erweitern

© Bundeskartellamt

Für die anstehende 12. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) wird auch die Einrichtung einer behördlichen Rechtsdurchsetzung diskutiert. Damit würde nach Auffassung der deutschen Wirtschaft weitere Bürokratie aufgebaut und das etablierte System ohne Not geschwächt.

In einem gemeinsamen Schreiben an das Bundeswirtschaftsministerium weisen sieben Wirtschafts- und Verbraucherverbände, darunter die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK), darauf hin, dass sich die schnelle, effiziente und bürokratiearme Durchsetzung von Verbraucherrechten durch private Verbände seit Jahrzehnten bewährt habe.

Sie warnen davor, das Bundeskartellamt durch eine zusätzliche behördliche Rechtsdurchsetzung in die Rolle einer parallelen oder ergänzenden Justiz für verbraucherpolitisch sensible Konstellationen zu drängen und so unnötige, kontraproduktive und kostenintensive Doppelstrukturen aufzubauen. Vielmehr gelte es, die aktuelle Situation zu analysieren und mögliche Lücken der Rechtsdurchsetzung – etwa bei der Marktüberwachung im Warenverkehr – vorrangig über zivilrechtliche Instrumente zu schließen.

Am 19. Juni sandten der Bundesverband der Deutschen Industrie, die DIHK, Die Deutsche Kreditwirtschaft, der Handelsverband Deutschland, der Markenverband, der Verbraucherzentrale Bundesverband, der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft und die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main das folgende Schreiben an Sven Giegold, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz:

Sehr geehrter Herr Staatssekretär,

im Rahmen des für diesen Monat angekündigten Pakets zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) wird erneut eine Erweiterung der Befugnisse des Bundeskartellamts bei Verstößen gegen Verbraucherrecht Gegenstand der Diskussion sein.

Die unterzeichnenden Verbände begrüßen grundsätzlich das in der wettbewerbspolitischen Agenda festgehaltene Ansinnen Ihres Ministeriums, die Verbraucherrechtsdurchsetzung so zu gestalten, dass sie den Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher gerecht wird und fair ausgestaltet ist. Auch die rechtskonform handelnden Wettbewerber haben ein Interesse an einer wirksamen Durchsetzung des Verbraucherrechts.

Gleichzeitig möchten wir darauf hinweisen, dass durch eine Vielzahl an Vorhaben, die in dieser Legislaturperiode umgesetzt wurden, insbesondere die behördliche und in geringem Maße auch die zivilrechtliche Verbraucherrechtsdurchsetzung gestärkt wurden. Einigkeit besteht dahingehend, dass sich die Durchsetzung von Verbraucherrechten durch zivilgesellschaftlich organisierte Verbände seit Jahrzehnten bewährt hat. Die private Rechtsdurchsetzung funktioniert schnell, effizient und ohne unnötige Bürokratie.

Die Einrichtung einer öffentlich-rechtlichen Rechtsdurchsetzung parallel zu den bestehenden privatrechtlichen Instrumenten oder selbst nach einer vorangehenden Sektoruntersuchung wird nach unserer Einschätzung dagegen das etablierte und bewährte System ohne Not schwächen. Ein mögliches Aufgreifermessen für eine behördliche Rechtsdurchsetzung muss daher auf die wenigen Bereiche beschränkt bleiben, die von der zivilrechtlichen Rechtsdurchsetzung nachweisbar nicht erreicht werden können. Dies kann sich weder nach der bloßen Anzahl der Fälle bemessen noch durch den Vergleich mit den nur vermeintlich effektiveren Optionen des § 32 GWB. Auch für Streuschäden sollten allein die neuen Instrumente des kollektiven Rechtsschutzes einschlägig bleiben. Das Bundeskartellamt wird anderenfalls in die Rolle einer parallelen oder ergänzenden Justiz für verbraucherpolitisch sensible Konstellationen gedrängt, und die bislang allseits gewünschte unbürokratische zivilrechtliche Rechtsdurchsetzung stünde unter Vorbehalt.

Auch um unnötige, kontraproduktive und kostenintensive Doppelstrukturen zu vermeiden, sollte daher zunächst eine erneute Analyse möglicher verbleibender Lücken durchgeführt und identifizierte Defizite vorrangig durch eine Anpassung zivilrechtlicher Instrumente geschlossen werden. Die Anspruchsbefugnis anerkannter und gemeinnütziger Verbände zur Verfolgung von Lauterkeitsrechtsverletzungen sollte in künftigen Rechtsakten eigens klargestellt werden.

Eine bereits aktuell offenbare Lücke ist im Hinblick auf die Marktüberwachung im Bereich des Warenverkehrs zu verorten: Diese ist weder personell, finanziell noch organisatorisch den neuen Herausforderungen der massenhaften Einfuhr von Waren aus Drittstaaten gewachsen. Es braucht eine bessere Ausstattung der Marktüberwachungsbehörden und gegebenenfalls zentralisierte Strukturen, effektive Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung gegenüber Marktakteuren ohne Sitz in der EU und vor allem Strategien für eine effiziente Online-Marktüberwachung.

Daneben sollten auch wirksame Maßnahmen getroffen werden, um ein verbraucherrechtskonformes auf den nationalen Markt ausgerichtetes Produkt- und Dienstleistungsangebot auch dann zu gewährleisten, wenn der Anbieter seinen Sitz in einem Drittstaat hat und wegen fehlender Kooperationsabkommen auch im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Rechtsdurchsetzung für die nationalen Behörden in der EU faktisch nicht erreichbar ist.

Kontakt

Porträtfoto Stephan Wernicke
Prof. Dr. Stephan Wernicke Bereichsleiter Recht

Kontakt

Ohlig, Dominik_WEB
Dominik Ohlig Pressesprecher