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Verteidigung braucht eine starke Wirtschaft

IHK-Organisation als zentrale Klammer – DIHK-Position veröffentlicht
Konvoi von Militär-Jeeps auf der Straße

Bei der Landesverteidigung geht es nicht nur um militärische Belange, sondern beispielsweise auch um Logistik

© Bundeswehr / Lisa Engler

Die Wirtschaft spielt eine zentrale Rolle für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands. Angesichts der veränderten geopolitischen Sicherheitslage skizziert die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) in einer neuen Position die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit von Wirtschaft mit den Sicherheitsbehörden sowie die Aufgaben von Betrieben und IHK-Organisation in unterschiedlichen Sicherheitslagen.

Peter Adrian dynamisch

Peter Adrian

© DIHK / Werner Schuering

"Die Wirtschaft ist sich ihrer Bedeutung und Verantwortung für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands bewusst", stellt DIHK-Präsident Peter Adrian klar. "Auch in den Unternehmen wächst das Bewusstsein, sich auf ernste Sicherheitslagen vorbereiten zu müssen, damit der Betrieb und die Wirtschaft insgesamt weiterlaufen, wenn ein Teil des Personals nicht zur Verfügung stehen sollte und/oder Liefer- und Wertschöpfungsketten gestört sind." 

Er ist überzeugt: "Wir als IHK-Organisation können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Resilienz unserer Wirtschaft und die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes zu erhöhen." Dabei müssten bei der Verteidigungsfähigkeit sämtliche Aktivitäten immer darauf ausgerichtet sein, den Ernstfall zu verhindern.

Breite der Wirtschaft betroffen 

Das Thema Gesamtverteidigung betrifft laut DIHK viele Wirtschaftsbereiche: den mittelständischen Zulieferbetrieb, der kritische Rohstoffe und Vorprodukte benötigt, ebenso wie die Logistiker, die den Einzel- und Großhandel mit Produkten des täglichen Lebens beliefern. Betroffen sind etwa auch Banken, die Finanzierungen und die Bargeldversorgung absichern, die Gesundheitswirtschaft, die zusätzlich zur Versorgung der Zivilbevölkerung im Ernstfall auch Verletzte und Verwundete behandeln müsste, Programmierer, die Cybersicherheits-Software entwickeln, Energieversorger, die die Wasser-, Strom- und Kraftstoffversorgung sicherstellen, und nicht zuletzt unmittelbar die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie mit ihren Zulieferbetrieben. 

Die Umsetzung des von der Bundeswehr entwickelten "Operationsplan Deutschland" rückt dabei auch die operative zivil-militärische Zusammenarbeit in den Regionen in den Fokus. Hier fungieren die Industrie- und Handelskammern (IHKs) als wichtige Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Bundeswehr und Zivilschutzorganisationen.  

Überregional können gerade DIHK und IHKs eine gesamtwirtschaftliche Klammer bilden: "Wir sind Ansprechpartner für die Betriebe und Branchen, die als Auftragnehmer, Zulieferer oder Dienstleister eng mit der Bundeswehr zusammenarbeiten", betont Peter Adrian. Die DIHK bringe aber vor allem die Auswirkungen der sicherheitspolitischen Entwicklung auf die gesamte Wirtschaft in die Diskussion ein und informiere die Betriebe in unterschiedlichen Lagen über notwendige Vorkehrungen und erforderliche Aktivitäten. 

Wehr- und Reservedienst im Fachkräftemangel angehen 

"Eine der großen Herausforderungen stellt für die Unternehmen – aber auch für die Bundeswehr – der Personalmangel dar", erläutert der DIHK-Präsident. "Das umfasst neben der Wehrpflicht insbesondere die Freistellung von Teilen der Belegschaft für Reservetätigkeiten oder Einsätze ziviler Hilfsorganisationen." Für den betrieblichen Ablauf sei "entscheidend, dass die Wirtschaft bei diesem Thema eng mit einbezogen wird". Denn: "Schließlich müssen die Unternehmen und die Wirtschaft insgesamt in allen Sicherheitslagen weiter funktionieren – auch im Ernstfall."

Besonders engen Abstimmungsbedarf sieht die DIHK daher beim Thema Wehrdienst, Fachkräfte und Berufliche Bildung: Nach ihrer Einschätzung werfen der geplante Ausbau der Bundeswehr und die politische Diskussion um eine Rückkehr zu einem verpflichtenden Wehrdienst die Frage auf, wie die angestrebte stärkere Verteidigungsfähigkeit mit dem ohnehin angespannten Arbeitsmarkt und dem in vielen Branchen offensichtlichen Fachkräftemangel vereinbart werden kann. Wichtig sei es, Wehrdienst, Berufliche Bildung und Arbeitswelt ganzheitlich zu denken – zum Vorteil von Gesellschaft, Staat und Wirtschaft.

Neue und alte hoheitliche IHK-Aufgaben

Mit der Debatte um eine Wiederaufnahme der Wehrpflicht und die Ausweitung der Reservetätigkeiten rücken auch hoheitliche Aufgaben der IHKs wieder in den Fokus – beispielsweise die Stellungnahmen zur Unabkömmlichkeit von Beschäftigten in den Mitgliedsunternehmen. Bis 2011, also bis zur Aussetzung der Wehrpflicht, haben die IHKs jedes Jahr Tausende dieser gutachtlichen Stellungnahmen erstellt.

In besonderen im Grundgesetz geregelten Lagen würden die IHKs zudem weitere hoheitliche Aufgaben übernehmen. Nach dem Wirtschaftssicherstellungsgesetz könnten sie etwa bei der Ausführung der Rechtsverordnungen beratend mitwirken, soweit Interessen der gewerblichen Wirtschaft betroffen sind. 

"Zusammen mit den IHKs werden wir die Bedeutung dieser Mitwirkungspflichten analysieren und die Ergebnisse mit der Bundesregierung im Rahmen der angekündigten Novellierung dieser Gesetze diskutieren", erläutert Adrian. 

Wirtschaft muss weiter funktionieren

Schließlich gilt im Ernstfall: Die Wirtschaft muss weiter funktionieren und sicherstellen, dass der Bedarf der Zivilbevölkerung und der Streitkräfte an Gütern und Leistungen gedeckt werden kann. Auch bei anderen Herausforderungen ist eine enge Abstimmung von Politik, Bundeswehr und Wirtschaft erforderlich, vor allem wenn es um die Instandhaltung und Modernisierung von Brücken, Straßen, Wasserwegen, Häfen und Flugplätzen geht. 

Damit Unternehmen auch im Verteidigungsfall resilient sind und bleiben und sie ihre Aufgaben erfüllen können, sollten sie sich schon heute mit erforderlichen Vorbereitungen befassen, rät die DIHK. Dazu zählen innerbetrieblich etwa regelmäßige Schulungen im Bereich Cybersicherheit und die Entwicklung und Erprobung von Notfallplänen, um eventuelle Personal- oder Rohstoffengpässe besser abfedern zu können.

Rahmenbedingungen verbessern  

Aus Sicht der DIHK ist für die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands ebenfalls von zentraler Bedeutung, die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen hierzulande zu verbessern – nicht zuletzt eine deutliche Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren, insbesondere bei der verteidigungsrelevanten Infrastruktur. 

In der DIHK-Position heißt es: "Die Sanierung der gesamten Infrastruktur voranzubringen, ist wesentliche Voraussetzung eines erfolgreichen Konzepts der Gesamtverteidigung. Im Konfliktfall wird Deutschland nur dann als Drehscheibe für militärische Transporte und Bewegungen funktionieren, wenn die zentrale Verkehrsinfrastruktur und resiliente Energienetze die erhöhten Anforderungen erfüllen." Weitere von der DIHK angesprochene Punkte sind unter anderem ein EU-weites Cybersicherheitsniveau und resilientere Lieferketten durch weitere Handels- und Rohstoffabkommen.

Sicherheits- und Verteidigungsbranche braucht Perspektiven

Die DIHK hat auch die besonderen Herausforderungen der Sicherheits- und Verteidigungsbranche im Blick. Sie braucht eine langfristige Perspektive für den Absatz ihrer Produkte, Erleichterungen für zivil-militärische Forschungskooperationen sowie einen einfachen Zugang für mittelständische Betriebe und Start-ups bei zu beschleunigenden öffentlichen Ausschreibungen und Vergabeverfahren. 

Wichtige Rolle auch für die AHKs 

Nicht zuletzt spielen auch die Deutschen Auslandshandelskammern (AHKs) für die Unternehmen eine wichtige Rolle, weil sie bedeutende Ansprechpartner bei der Erschließung neuer Märkte und bei der Bewertung geopolitischer Entwicklungen sind. Das gilt auch für die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie und deren Zulieferbetriebe. Die AHKs unterstützen den deutschen industriellen Mittelstand damit auch beim Ausbau seiner Geschäftsfelder an der Schnittstelle zwischen zivilem und militärischem Bereich. 

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Porträtfoto Benjamin Baykal
Benjamin Baykal Referatsleiter Verteidigungspolitik, Kooperation mit der Bundeswehr

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Porträtbild Petra Blum, Pressesprecherin
Petra Blum Pressesprecherin