
Mehr als jeder zweite Betrieb sieht in Azubis aus Drittstaaten eine Chance für die eigene Fachkräftesicherung
© andresr / E+ / Getty Images
Mehr als jeder zweite Betrieb sieht in Azubis aus Drittstaaten eine Chance für die eigene Fachkräftesicherung
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Der Start ins neue Ausbildungsjahr steht unter schwierigen Vorzeichen: Bewerbermangel, fehlende Grundqualifikationen und die mehrjährige Wirtschaftskrise setzen den Betrieben zu. Die Ergebnisse der DIHK-Ausbildungsumfrage 2025 zeigen: Im vergangenen Jahr konnte jedes zweite Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungen nicht alle Ausbildungsplätze besetzen. Besonders stark vom Azubi-Mangel betroffen sind das Verkehrs- und das Baugewerbe.
Ein Drittel der Unternehmen mit Besetzungsschwierigkeiten gibt an, keine einzige Bewerbung erhalten zu haben. Zwar ist die Zahl der bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) gemeldeten Bewerberinnen und Bewerber zuletzt gestiegen. Dennoch gibt es weiterhin deutlich mehr Ausbildungsplätze als Bewerbungen. Kurz vor Ausbildungsstart sind allein in der BA-Statistik noch 130.000 Stellen unbesetzt. Wer jetzt eine Ausbildung sucht, hat also weiterhin gute Chancen.
Neben dem Bewerbermangel gibt es auch erhebliche qualifikatorische Passungsprobleme: Drei Viertel der Betriebe mit Besetzungsschwierigkeiten fanden zuletzt keine geeigneten Kandidaten. Neun von zehn Unternehmen betrachten gutes Arbeits- und Sozialverhalten als wichtige bis sehr wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Ausbildung. Als fast ebenso bedeutsam gilt die mentale Leistungsfähigkeit: Dazu zählen beispielsweise Aufmerksamkeit, logisches Denken oder Merkfähigkeit. Nahezu die Hälfte der Betriebe bemängelt Defizite in beiden Bereichen – insbesondere im Hinblick auf die Belastbarkeit der jungen Menschen.
Eine zusätzliche Herausforderung stellt die Rezession für den Ausbildungsmarkt dar. Laut DIHK-Ausbildungsumfrage 2025 planen mehr als ein Viertel der Unternehmen in diesem Jahr, die Zahl ihrer Ausbildungsplätze zu reduzieren. Bei den Betrieben mit wirtschaftlich schwierigen Perspektiven sind es zwei Fünftel. Nach drei Jahren ohne Wirtschaftswachstum fehlt oft die Perspektive – trotzdem übernehmen zwei Drittel der Unternehmen weiterhin alle ihre Azubis. Das Dilemma: Weniger Ausbildung heute gefährdet den Fachkräftebedarf von morgen.
Die Industrie- und Handelskammern (IHKs) werben seit 2023 mit der Kampagne Ausbildung macht mehr aus uns | IHK - Jetzt #könnenlernen auf Plakaten, digitalen Werbetafeln und dem TikTok-Kanal @die.azubis für die betriebliche Ausbildung. Slogans wie "Nicht Fake. Aber fähig." und "Keine Sorge. Die tun was." sollen die Vorteile dieses Karriereweges aufzeigen und Jugendliche für die duale Ausbildung gewinnen. Die steigenden Bewerberzahlen deuten darauf hin, dass die Botschaften ankommen.
Über die Hälfte der Betriebe betrachtet Auszubildende aus Drittstaaten als Chance für die eigene Fachkräftesicherung – ein Drittel hat bereits konkrete Erfahrungen damit gesammelt. Ein weiteres Viertel der Unternehmen könnte sich vorstellen, in Zukunft junge Menschen aus Drittstaaten auszubilden. Bis August 2025 haben sich hierzulande laut BA rund 110.000 ausländische Kandidatinnen und Kandidaten für eine duale Ausbildung beworben (plus 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr) – das ist ein Viertel aller Bewerber. Davon haben etwa 50.000 eine Fluchtgeschichte. Ihre Integration in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ist für die deutsche Wirtschaft enorm wichtig, um den kontinuierlichen Rückgang bei den deutschen Azubis auszugleichen. IHKs und die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) helfen mit vielfältigen Beratungsangeboten und Netzwerkprojekten.
Ausbildungsbetriebe dürfen mit den Herausforderungen nicht allein gelassen werden. Zahlreiche Auszubildende haben enormes Potenzial, gleichzeitig starten jedoch auch noch zu viele ohne die nötigen Grundlagen: Rechnen, Schreiben, Lesen müssen sitzen, ebenso Zuverlässigkeit, Engagement und Lernwille. Hier ist die Bildungspolitik gefragt. Die Schulen müssen ihre Schüler fit fürs Berufsleben machen.
Die Politik sollte Betriebe zudem dabei unterstützen, das Potenzial von Azubis aus dem Ausland stärker zu nutzen. Hürden sind vor allem mangelnde Deutschkenntnisse zu Beginn der Ausbildung – das geben in der DIHK-Ausbildungsumfrage 71 Prozent der Unternehmen zu Protokoll – neben fehlendem bezahlbaren Wohnraum in Betriebsnähe (48 Prozent) und bürokratischen Hürden bei der Einwanderung und Einstellung (62 Prozent). Berufssprachkurse sollten daher stärker gefördert und eine Teilnahme vor Ausbildungsbeginn grundsätzlich ermöglicht werden. Ein besonders erfolgsversprechendes Vorbild ist das 1+3 Kombimodell der IHK zu Coburg, das sich für eine bundesweite Umsetzung anbietet. Zudem sollte die geplante "Work-and-stay-Agentur" der neuen Bundesregierung unbürokratische und transparente Zugänge schaffen – mit digitalisierten und entschlackten Verfahren.