Nach Auffassung der Kommission soll sich der neue Mehrjahresfinanzrahmen durch folgende Eigenschaften auszeichnen:
- Größerer Umfang: Der nächste MFR soll sich auf fast 2 Billionen Euro belaufen. Das würde durchschnittlich 1,26 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) der EU zwischen 2028 und 2034 entsprechen. Zum Vergleich: Im laufenden MFR, der noch bis 2027 geht, gibt die EU circa 1,2 Billionen Euro oder 1,13 Prozent des BNE der EU aus. Die Kommission schlägt vor, dass 0,11 Prozent des BNE für die Rückzahlungen des NextGenerationEU bereitgestellt werden, die 2028 beginnen.
- Neue Struktur: Die Kommission strebt mehr Flexibilität im gesamten Haushalt an und wird zu diesem Zweck einen größeren Anteil als bisher nicht fest verplanen. Die EU-Förderung soll ergebnisorientierter und einfacher werden. Die Anforderungen an eine Förderung durch mehrere Programme in einem Politikbereich sollen vereinheitlicht und "vor die Klammer gezogen" werden. Es gibt künftig nur noch drei beziehungsweise (einschließlich der Verwaltung) vier Rubriken. Es wird nationale und regionale Partnerschaftspläne geben. Sie werden mit der Zusage von Investitionen und Reformen verknüpft.
- Ausrichtung an EU-Prioritäten: Der neue MFR wird einen starken Fokus auf europäische Prioritäten legen, darunter Wettbewerbsfähigkeit und Verteidigungsfähigkeit beziehungsweise Resilienz.
Der MFR wird in die folgenden vier Rubriken aufgeteilt:
Die erste Rubrik umfasst nationale und regionale Partnerschaftspläne (NRPP) sowie die Rückzahlung von Mitteln aus dem Programm "NextGenerationEU" und wird sich auf knapp 1 Billion Euro belaufen. Die nationalen und regionalen Partnerschaftspläne (865 Milliarden Euro) decken die Bereiche Kohäsionspolitik, Sozialpolitik, Gemeinsame Agrarpolitik, Fischerei- und Meerespolitik, Migration, Grenzmanagement und innere Sicherheit ab. Sie sollen in enger Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Kommission, den Mitgliedstaaten, den Regionen, den lokalen Gebietskörperschaften und den Interessengruppen konzipiert und umgesetzt werden. Ziel ist es, die Bereitstellung europäischer Unterstützung schneller, flexibler und individueller zu gestalten.
Rubrik zwei wird Investitionen in "Wettbewerbsfähigkeit, Wohlstand und Sicherheit" finanzieren. Sie umfasst den Europäischen Wettbewerbsfonds (ECF), das neue Programm "AgoraEU" zur Unterstützung des Kultursektors und mehrere bestehende EU-Programme wie CEF, Erasmus+ oder den EU-Katastrophenschutzmechanismus. Sie wird sich auf 589,6 Milliarden Euro belaufen. Den größten Anteil an dieser Rubrik hat – mit 409 Milliarden Euro – der European Competitiveness Fund (EFC), in dem auch das Forschungsrahmenprogramm "Horizon Europe" als eigenständiger Haushaltstitel enthalten ist. Er soll sich auf vier Schlüsselbereiche konzentrieren: ökologischen Wandel und Dekarbonisierung; digitaler Wandel; Gesundheit, Biotechnologie, Landwirtschaft und Bioökonomie sowie Verteidigung und Raumfahrt.
Die dritte Rubrik konzentriert sich auf die Außenpolitik und beläuft sich auf 215,2 Milliarden Euro. Sie umfasst das Programm "Global Europe" mit 200 Milliarden Euro, mit dem die Vor-Ort-Wirkung des auswärtigen Handelns der EU in den Partnerländern verbessert werden soll. Eine spezielle Reserve (15 Milliarden Euro) für die Bewältigung unvorhergesehener, krisenhafter Ereignisse ist ebenso enthalten. Bis zu 100 Milliarden Euro können mobilisiert werden, um das Wiederaufbau-Engagement der EU in der Ukraine zu unterstützen. Direkte Militärhilfe ist darin nicht enthalten.
Die vierte Rubrik deckt die Ausgaben für die europäische öffentliche Verwaltung ab, also Bezüge der EU-Beamten und ihre Pensionen (6 Prozent des MFR).
Neue Eigenmittel
Die Kommission schlägt fünf neue Eigenmittel vor, die zusammen 44 Milliarden Euro jährlich einbringen sollen. Insgesamt soll ihr Finanzierungsanteil dadurch noch steigen, dass die (Erhebungs-) Bedingungen für bestehende Eigenmittel zugunsten der EU geändert werden (dann 58,5 Milliarden Euro).
- Emissionshandelssystem (ETS): Ein Anteil der Einnahmen aus dem schon bestehenden Emissionshandel, die bislang aber noch nicht in den EU-Haushalt fließen (rund 9,6 Milliarden Euro);
- Kohlenstoffgrenzausgleichsmechanismus (CBAM): Ein Anteil der Einnahmen aus dem CBAM, das bislang noch nicht in Kraft ist (rund 1,4 Milliarden Euro);
- Abgabe auf nicht-recycelten Elektroschrott, gewichtsabhängig (rund 15 Milliarden Euro);
- Anteil am Tabaksteueraufkommen der Mitgliedstaaten (TEDOR; rund 11,2 Milliarden Euro);
- Unternehmensressource für Europa (CORE): Ein Pauschalbeitrag, der von Unternehmen und Betriebsstätten erhoben wird, die in der EU ansässig sind und einen Jahresnettoumsatz von mindestens 100 Millionen Euro erzielen (rund 6,8 Milliarden Euro).
Nach der Analyse und Positionierung beginnen ab Herbst 2025 formelle Verhandlungen im Rat. Ziel ist es, bis Ende des Jahres eine Basis für Verhandlungen festzulegen.
Auf dem Dezember-Gipfel werden sich die EU-Staats- und Regierungschefs das erste Mal mit den Kommissionsvorschlägen befassen. Von ihnen werden Leitlinien für die weiteren Verhandlungen auf Ministerebene erwartet. Entscheidungen wird es dort nicht geben. Die Verabschiedung der MFR-Verordnung – damit ist erst im Jahr 2027 zu rechnen – erfordert Einstimmigkeit. Ebenfalls einstimmig muss die Eigenmittel-Verordnung beschlossen werden, wobei dieser Beschluss dann noch von den Mitgliedstaaten gemäß ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften ratifiziert werden muss.
Das Europäische Parlament beginnt nach der Sommerpause mit seinen Beratungen. Seine Zustimmung (einfache Mehrheit) wird für die Verabschiedung eines Teils des Pakets (zum Beispiel MFR-VO, Interinstitutionelle Vereinbarung) gebraucht.
Einzelne, für die Wirtschaft wichtige Felder werden näher beleuchtet:
1. Kohäsion
Die Kohäsionspolitik soll nach den Vorstellungen der EU-Kommission weitreichenden Reformen unterzogen werden. Die größte Änderung wäre eine Zusammenführung mehrerer Programme – Kohäsion, Gemeinsame Agrarpolitik und verschiedene Instrumente zu Migration, Sicherheit und Verteidigung – unter dem Dach des "European Fund for Economic, Territorial, Social Cohesion, Agriculture and Rural, Fisheries and Maritime Prosperity and Security". Innerhalb dieses Fonds sollen Politiken zu übergreifenden Themen künftig stärker koordiniert und Synergieeffekte genutzt werden. Bisher verhandeln die Regionen selbst mit der EU, wie und wo die Gelder eingesetzt werden sollen. Dies soll durch 27 sogenannte nationale und regionale Partnerschaftspläne ersetzt werden. Künftig soll also ein Plan pro Mitgliedstaat ausreichen, in dem dann die Gelder zusammengefasst geplant und verteilt werden. Eine weitere Neuerung wären stärkere Konditionalitäten, das heißt die Knüpfung der Gelderauszahlungen an die Erfüllung vorher festgelegter Meilensteine. Auch mehr Flexibilität ist vorgesehen, um stärker als bisher auf unerwartete Krisen und politische Ereignisse reagieren zu können. Vom Parlament wurden die Pläne bereits stark kritisiert, da sie zu einer Fragmentierung statt einer gemeinsamen europäischen Vision führen würden.
2. Wettbewerbsfähigkeitsfonds
Der European Competitiveness Fund (ECF) soll maßgeblich zur Umsetzung des Kompasses für Wettbewerbsfähigkeit beitragen und verfolgt drei Ziele: Vereinfachung, Finanzierung und bessere Koordinierung. Beim Thema Vereinfachung möchte die Kommission den administrativen Aufwand senken, indem sie ein einheitliches Regelwerk für die derzeit noch unterschiedlichen Programme einführt, Förderprozesse konsolidiert und den Zugang zu Hilfen vereinfacht. Als Blaupause sollen hierfür das derzeitige "Funding & Tenders Portal" sowie die STEP-Plattform dienen. Darüber hinaus möchte die Kommission mit dem ECF auch finanziell zur Erreichung der Ziele des Kompasses beitragen und diesen mit Geldern unterlegen. Von den 409 Milliarden Euro ist der größte Anteil für Horizon Europe mit 175 Milliarden Euro vorgesehen.
Bei den anderen Politikbereichen soll die Verteilung folgendermaßen aussehen:
- Energiewende und Dekarbonisierung: 67,4 Milliarden Euro
- Gesundheit und Ökonomie: 22,6 Milliarden Euro
- Digitaler Wandel: 54,8 Milliarden Euro
- Verteidigung und Weltraum: 130,7 Milliarden Euro
Wobei bei dieser Zusammenstellung im Politikbereich "Energiewende und Dekarbonisierung" bereits die Unterstützung aus dem Innovationsfonds von 41,2 Milliarden Euro miteinbezogen wurde und sich die Summe der verschiedenen Bereiche daher auf 450,5 Milliarden Euro beläuft.
3. Horizon Europe
Die Kommission hat im Zuge des MFR-Vorschlags außerdem geplant, das Forschungsrahmenprogramm "Horizon Europe" im kommenden EU-Haushalt für 2028 bis 2034 deutlich auszubauen und mit einem Budget von 175 Milliarden Euro auszustatten – fast doppelt so viel wie in der aktuellen Förderperiode. Das Programm solle damit als eigenständiger Pfeiler innerhalb des EU-Wettbewerbsfonds (ECF) erhalten bleiben.
Horizon Europe soll künftig auf vier statt der momentanen drei Fördersäulen beruhen: Exzellenzwissenschaft, Wettbewerbsfähigkeit und Gesellschaft, Innovation sowie der Europäische Forschungsraum. Dadurch möchte die EU den teilnehmenden Unternehmen unter anderem eine kohärentere Förderung entlang des gesamten Innovationszyklus von der Forschung bis hin zum marktreifen Produkt ermöglichen. Besonders deutlich fällt die geplante Budgetsteigerung daher für den Europäischen Forschungsrat (ERC) und den Europäischen Innovationsrat (EIC) aus: Während der ERC doppelt so viel Mittel erhalten soll, ist für den EIC sogar eine Verdreifachung vorgesehen. Allerdings bleibt abzuwarten, ob die vorgeschlagene Budgeterhöhung in den weiteren politischen Verhandlungen Bestand haben wird. Lesen Sie mehr dazu in dem Beitrag von Lorenz Kramer.
4. Digitalisierung
Der Digitalbereich profitiert stark vom Wettbewerbsfähigkeitsfonds. So sollen die Gelder für digitale Projekte verfünffacht werden, auf künftig fast 55 Milliarden Euro. Im Entwurf ist von "Digital Leadership" die Rede, was die Ansprüche der EU, im Digitalsektor ein führender Kontinent zu werden, unterstreicht. Neben anderen Themen spielt hier Sicherheit und Infrastruktur eine wichtige Rolle.
5. Energie und Klima
Die Politikbereiche Energie und Klima sollen zukünftig unter der Haushaltsrubrik Wettbewerb, Wohlstand und Verteidigung sowie Binnenmarkt verwaltet werden.
Unter dem angedachten Dachfonds für Wettbewerbsfähigkeit (Wettbewerbsfähigkeitsfonds) werden insgesamt 67,4 Milliarden Euro für die saubere Transformation und industrielle Dekarbonisierung vorgesehen, ohne dass die Kommission eine weitergehende Aufschlüsselung der Mittel zum jetzigen Zeitpunkt vorlegt.
In Hinblick auf die "Connecting Europe"-Fazilität (CEF) ist eine deutliche Zunahme der Mittel auf 81,428 Milliarden Euro zu verzeichnen, die für den grenzübergreifenden Ausbau der Energie- und Transportinfrastruktur vorgesehen ist. Der Anteil der Elektrizitätssäule (CEF-E) unter der Fazilität soll über die nächste 7-jährige Haushaltsperiode rund 29,9 Milliarden Euro betragen und sich auf Investitionen in europäische Interkonnektoren, Energienetze, Offshore Netzwerke, die Erzeugung und Speicherung von erneuerbaren Energien sowie den Ausbau alternativer Kraftstoffinfrastruktur fokussieren. Dies entspricht mehr als einer Verdoppelung der bisherigen Mittel für die grenzübergreifende Energieinfrastruktur in Europa.
6. Bildung
Im Zuge der Vorstellung des MFR wurde auch der Plan für das Erasmus+ Programm ab 2028. Das Gesamtbudget für die Jahre 2028-2034 wird im Vergleich zum derzeitigen Budget für die Jahre 2021-2028 deutlich steigen. Das Budget erhöht sich von etwa 26 Milliarden Euro auf knapp 41 Milliarden Euro. Diese Steigerung ist bemerkenswert, selbst wenn man die Inflation berücksichtigt.
Allerdings gibt es aus Sicht der gewerblichen Wirtschaft auch eine weniger erfreuliche Nachricht: Künftig wird es keine Zweckwidmung mehr für die berufliche Mobilität geben. Dies bedeutet, dass die Europäische Kommission frei entscheiden kann, wie viel Geld sie im folgenden Jahr in welche Bereiche leiten wird. Es ist wichtig zu beachten, dass aus dem Erasmus+-Programm auch andere Projekte abseits der Mobilität finanziert werden.
Grundsätzlich sollen künftig über die nationalen und regionalen Partnerschaftspläne (siehe oben) ebenso Gelder für den Bereich Skills in Aus- und Weiterbildung bereitgestellt werden. Der genaue Umfang wird jedoch erst in den jeweiligen Plänen für die einzelnen Mitgliedstaaten vereinbart werden. In den Jahren 2021-2027 fließen etwa 40 Milliarden Euro aus dem Europäischen Sozialfonds in den Bereich Aus- und Weiterbildung.