Die EU-Kommission hat einen neuen Vorschlag für das nächste EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, Horizon Europe 2028-2034, vorgelegt. Sie plant eine umfassende Neuausrichtung der europäischen Innovationsförderung. Das Budget soll auf 175 Milliarden Euro steigen – fast doppelt so viel wie im laufenden Programm. Neue Mittel sollen dabei besonders in die Stärkung risikoreicher, disruptiver Innovationen fließen, aber auch verstärkt in die Grundlagenforschung. Zugleich wird die neue Programmstruktur auf vier Säulen umgestellt und teilweise an einen industriepolitisch ausgerichteten EU-Fonds für Wettbewerbsfähigkeit (ECF) gebunden. Das Folgeprogramm soll ähnlich wie seine Vorläufer als weitestgehend eigenständig koordiniertes Förderprogramm erhalten bleiben.
1. Säule: Exzellente Wissenschaft
Die erste Säule "Exzellente Wissenschaft" umfasst 44 Milliarden Euro (vorher 25 Milliarden) und stärkt die Grundlagenforschung über den Europäischen Forschungsrat (ERC) und die Marie-Skłodowska-Curie-Actions (MSCA). Ziel ist hierbei, die europäische Spitzenforschung strategisch zu sichern und internationale Forschungstalente stärker an den Standort Europa zu binden.
2. Säule: Wettbewerbsfähigkeit und Gesellschaft
Die zweite Säule wird mit 75,8 Milliarden Euro (vorher 53,3 Milliarden) ausgestattet und soll weiterhin thematisch ausgerichtete Verbundforschung und Innovation zur Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit fördern. Davon fließen jedoch 68,2 Milliarden in den neuartigen EU-Fonds für Wettbewerbsfähigkeit, der Forschung und industrielle Anwendung systematisch verknüpfen soll. Der Wettbewerbsfähigkeitsfonds folgt dabei eng den industriepolitischen Prioritäten der EU-Kommission, die sich im kommenden EU-Haushalt über vier strategische Bereiche erstrecken: saubere Transformation (25,3 Milliarden Euro) Gesundheit und Bioökonomie (19,6 Milliarden Euro), digitale Technologien (16,8 Milliarden Euro) sowie Sicherheit, Verteidigung und Raumfahrt (6,4 Milliarden Euro). Diese politischen Prioritäten sollen künftig stärker über thematische Ausschüsse und ein neues Technologiebeobachtungszentrum gesteuert werden. Hinzu kommt ein kleinerer Budgetanteil für Forschung zu gesellschaftlichen Herausforderungen.
3. Säule: Innovation
Die dritte Säule "Innovation" erhält mit 38,7 Milliarden Euro fast dreimal so viele Mittel wie bisher. Davon profitiert vor allem der Europäische Innovationsrat (EIC), welcher den Transfer und die Skalierung besonders risikoreicher Innovationen (zum Beispiel disruptive Zukunftstechnologien) fördert – künftig auch mit Fokus auf Verteidigung und Dual-Use. Dabei sollen Teile des EIC nach dem organisatorischen Vorbild der amerikanischen ARPA (Advanced Research Project Agencies) ausgerichtet werden, um durch flexible Projektstrukturen, schnellere Entscheidungsprozesse und höhere Risikobereitschaft eine bessere Unterstützung für teilnehmende Unternehmen zu erzielen. Weitere Mittel fließen in Innovationsökosysteme und die Vernetzung von Forschung, Bildung und Wirtschaft.
4. Säule: Europäischer Forschungsraum
Die neu hinzugefügte vierte Säule stärkt mit 16,2 Milliarden Euro den Europäischen Forschungsraum. Gefördert werden besonders Forschungsinfrastrukturen und die Beteiligung forschungsschwächerer Regionen in Europa. Die Mittelerhöhung resultiert unter anderem aus der Umschichtung von Infrastrukturausgaben aus der ersten Säule.
Horizon Europe soll künftig auch sogenannte "Moonshot-Projekte" ermöglichen – groß angelegte Vorhaben etwa zu Quantentechnologie, sauberer Luftfahrt oder Fusionsenergie, die durch gebündelte EU-, nationale und private Mittel von der Forschung bis zur Anwendung geführt werden.
Die Verhandlungen zwischen Rat, Parlament und Kommission über das tatsächliche Budget von Horizon Europe 2028-2024 verlaufen im Rahmen des kommenden EU-Haushalts und stehen noch aus.
Vor diesem Hintergrund hat die DIHK ein Positionspapier mit Anforderungen an das Nachfolgeprogramm von Horizon Europe veröffentlicht. Im Vordergrund steht die Eigenständigkeit des Programms zu erhalten und es langfristig besser zu finanzieren. Auch sollte die strikte Trennung zwischen ziviler und militärischer Forschungsförderung unter Wahrung der Technologieoffenheit aufgehoben und die Förderprozesse für Unternehmen entbürokratisiert sowie beschleunigt werden.