Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) boomen als Wirtschaftsstandort und bieten Unternehmen enorme Wachstumschancen. Von luxuriösen Bauprojekten bis hin zu innovativen Technologien – hier spielt deutsches Know-how eine Schlüsselrolle.
Autor/in Eli Hamacher
Selbst die Guides entpuppen sich als Top-Botschafter des Standortes. Bei Sightseeing-Touren in Dubai und Abu Dhabi fallen so viele Superlative, dass jeder spürt: Hier geht was. Mit 828 Metern behauptet der Burj Khalifa seit 2010 seine Position als höchster Wolkenkratzer der Welt. Die mit Luxuswohnungen und -hotels bebaute Palm Jumeirah gehört zu den weltgrößten künstlichen Inseln. Mit rund 87 Millionen Passagieren landete der Flughafen Dubai International im Jahr 2023 weltweit auf Rang zwei nach Dallas in den USA. Die Polizei jagt (auch) in Ferraris, Maserati und Porsche Verkehrssünder.
Sieben-Sterne-Hotels, deren Bau Milliarden verschlang, glänzen innen mit Gold und Luxus im Überfluss. Und wenn es in dem kleinen Emirat Dubai mal zu eng wird für ein neues Prestigeprojekt, trotzt der Staat dem Meer neue Flächen ab. Dem Beispiel folgt selbst das benachbarte Abu Dhabi, das flächenmäßig bei Weitem größte und dünnst besiedelte der sieben Emirate. Dabei zeigt der 360-Grad-Ausblick vom Etihad Tower, dem höchsten Aussichtspunkt der Stadt: Hier ist so viel freies Bauland, dass Investoren noch viele Projekte verwirklichen können.
Deutsches Know-how ist gefragt
Die einstigen Wüstenstaaten sind zu einem attraktiven Investitionsstandort aufgestiegen. Und auch global zeigen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) immer stärker Flagge, traten zum Beispiel 2024 dem Wirtschaftsbündnis BRICS bei, das einst Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika gründeten und das zuletzt starken Zulauf erhielt. In Deutschland übernahm mit dem staatlichen Ölkonzern Adnoc erstmals ein Unternehmen aus den VAE die Mehrheit an einem Dax-Konzern, dem Kunststoffhersteller Covestro.
Dass Geld da ist, lassen die Emirate auch mit prestigeträchtigen Projekten wissen. Um etwa ein in Abu Dhabi gebautes Museum Louvre nennen zu dürfen, zahlte der Golfstaat allein 400 Millionen Euro an Frankreich, gleich nebenan baut das Land aktuell das weltgrößte Guggenheim Museum. Doch die Abhängigkeit von den Petro-Dollars soll sinken, deshalb wird kräftig in andere Branchen investiert. Und da kommen die deutschen Unternehmen ins Spiel. Sehr gefragt sei deutsches Know-how aus den Branchen Automobil, Bau, Maschinen und Anlagen sowie Lösungen rund um das Thema Energie, sagt Martin Henkelmann, seit Anfang 2025 Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Emiratischen Handelskammer.
Die "Nichtölwirtschaft" als Wachstumstreiber
Unter den sechs Staaten des Golfkooperationsrates (Saudi-Arabien, VAE, Katar, Kuwait, Bahrain, Oman) gehören die VAE zu den Ländern mit dem höchsten Wirtschaftswachstum. Das wird von gerade mal rund elf Millionen Einwohnern erwirtschaftet, von denen nur rund zehn Prozent Staatsangehörige der VAE sind. Der Löwenanteil entfällt auf Arbeitsmigranten. Die emiratische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) kalkulieren für 2024 mit einem Anstieg des Wirtschaftswachstums auf 4 Prozent. Dabei gilt die Nichtölwirtschaft mit plus 5,2 Prozent als maßgeblicher Wachstumstreiber. Aktuell schätzt der IWF, dass sich das reale BIP-Wachstum 2025 sogar auf 5,1 Prozent beschleunigt. Die Erholung der deutschen Lieferungen in die VAE hat sich 2024 fortgesetzt. Im Corona-Jahr 2020 waren die Ausfuhren auf 6,9 Milliarden Euro eingebrochen. Für 2024 zeichnet sich ab, dass die Marke von 8,7 Milliarden Euro aus dem Jahr 2019 überschritten wird.
Einen Platz am Golf wollen sich immer mehr Unternehmen sichern, das gilt für deutsche Konzerne ebenso wie für Mittelständler. In der Dubai Mall, mit 350.000 Quadratmetern Verkaufsfläche und mehr als 1.200 Geschäften inklusive Schlittschuhbahn und begehbarem Aquarium selbstverständlich die größte der Welt, werben deutsche Unternehmen für Wertarbeit "made in Germany". Ein Gütesiegel, das laut Henkelmann auch in den VAE hohes Ansehen genießt. In den smart gestylten Boutiquen verkaufen die Händler unter anderem Luxuskarossen von Maybach, Koffer von Rimowa, Mode von Boss, Kameras von Leica oder Uhren von Lange&Söhne.
Luxus läuft, das berichtet auch BMW. Der Automobilhersteller eröffnete schon 1994 ein Regionalbüro in Dubai und verkauft seitdem über autorisierte BMW-Importeure. "Im Jahr 2024 wurden Verkaufsrekorde für die Marken BMW, MINI und BMW Motorrad erzielt", berichtet Christian Haririan, Managing Director der BMW Group Middle East. Der Mittlere Osten sei heute der drittstärkste Wachstumsmarkt weltweit für BMW. Das größte Potenzial sieht der Manager künftig im oberen Premiumsegment und bei E-Fahrzeugen.
Für Grohe, Anbieter hochwertiger Bad- und Küchenlösungen, gehört die Hotelbranche zu den zentralen Wachstumstreibern, da Hotels und Resorts zunehmend auf Luxus, Nachhaltigkeit und Effizienz bei ihren Wasserlösungen setzen.
"Auch der Wohnimmobilienmarkt entwickelt sich weiter – mit einer steigenden Nachfrage nach maßgeschneiderten, technologisch fortschrittlichen und nachhaltigen Lösungen", sagt Stefan Schmied, der das Geschäft im Mittleren Osten, in Indien und Afrika verantwortet. Als Beispiel nennt Schmied das System Grohe Blue, das gefiltertes, gekühltes und sprudelndes Wasser aus dem Wasserhahn liefert und so den Verbrauch von Plastikflaschen reduziert.
Wenn viel gebaut wird, dann darf auch Herrenknecht nicht fehlen. Der Hersteller von Tunnelvortriebsmaschinen zeigte bei zahlreichen Leuchtturmprojekten Flagge. Für die Weltausstellung im Jahr 2020 in Dubai etwa wurde die rote Linie der Metro erweitert. Dafür brauchte es unter anderem 3.200 Meter unterirdische Strecke.
Starker Anstieg der Flugbewegungen belegt Wachstumsdynamik
Zu den alten Hasen in der Region zählt der deutsche Logistikriese DHL Group. Der Geschäftsbereich DHL Express nahm seine Geschäftstätigkeit in den VAE bereits 1976 auf und beschäftigt mittlerweile mehr als 1.200 Mitarbeiter an rund 40 Standorten. DHL ist mit DHL Express zudem der einzige Logistikdienstleister in der Region, der eine eigene Flugzeugflotte mit insgesamt zwölf Flugzeugen (ansässig in Bahrain) betreibt. Angeflogen werden sowohl die Flughäfen in Abu Dhabi als auch in Dubai. Aktuell verzeichnet DHL monatlich 4.000 Flugbewegungen aus den Emiraten – ein Anstieg von 30 Prozent allein in den vergangenen zwölf Monaten, für DHL ebenfalls ein Beleg für die große Wachstumsdynamik in der Region.
Als entscheidenden jüngsten Schritt für beide Seiten nennt Amadou Diallo, CEO von DHL Global Forwarding Middle East & Africa, die strategische Partnerschaft zwischen Etihad Rail, dem Entwickler und Betreiber des nationalen Schienennetzes in den VAE, und DHL Global Forwarding, dem Luft-, See- und Landfrachtspezialisten der DHL Group. Im Rahmen der 2023 geschlossenen Vereinbarung nutzt DHL Global Forwarding das Schienennetz, welches alle wichtigen Industriezentren miteinander verbindet, als bevorzugten Verkehrsträger für die Verteilung von Gütern in den VAE. "Dies verringert nicht nur den Straßentransport, sondern unterstützt auch die Nachhaltigkeitsziele der VAE, indem die Kohlenstoffemissionen im Landverkehr bis 2050 um bis zu 21 Prozent gesenkt werden", so Diallo. Jede Zugfahrt verlagere dabei rund 300 Lkw-Transporte von der Straße auf die Schiene.
Näher an den Kunden vor Ort
Wie DHL rücken auch andere deutsche Unternehmen näher an ihre Kunden vor Ort. Zum Beispiel die Pfleiderer Group, ein Premiumhersteller von Holzwerkstoffen, der unter anderem auf den schnell wachsenden Markt hochklassiger Küchen und Möbel sowie den konstruktiven Holzbau spezialisiert ist. In VAE und den Golfstaaten Saudi-Arabien, Kuwait, Oman, Katar und Bahrain fokussieren sich die Bayern auf das Projektgeschäft und den dekorativen Innenausbau im Neubau von Wohn- und Büroliegenschaften sowie im Hotel- und Gastgewerbe mit Premiumprodukten und innovativem Design "made in Germany". Seit Anfang 2024 ist Pfleiderer mit einer eigenen Niederlassung in Dubai vertreten und steuert von dort das Geschäft mit allen Golfstaaten. In den VAE ist Pfleiderer schon seit mehr als 20 Jahren aktiv, hat unter anderem bei Vorzeigeprojekten wie dem Burj Al Khalifa mitgewirkt. Das Geschäft wurde aber bis 2024 aus Deutschland heraus gesteuert.
Nach Ansicht von Frank Herrmann, Hauptgeschäftsführer der Pfleiderer Group, müssen sich Unternehmen in allen Auslandsmärkten intensiv auf die Kultur und das typische Geschäftsverhalten einstellen und ein Vertrauensverhältnis mit den Kunden vor Ort aufbauen. "Das gelingt mit einer eigenen Niederlassung vor Ort besser und sendet auch ein klares Signal an den Markt."
Die Märkte und Kulturen unterscheiden sich
Zu den Herausforderungen zählt Schmied von Grohe, dass die Hersteller eine Balance zwischen Luxus und Nachhaltigkeit finden müssten. Zudem gelte es, vielfältige Kundenpräferenzen zu beachten, da die VAE ein Markt mit unterschiedlichen ästhetischen und funktionalen Anforderungen seien. Schließlich könnten sich globale Unsicherheiten auf Materialkosten und Logistik auswirken. Grohe steuert deshalb mit einem regionalen Lager, lokalen Partnerschaften mit Projektentwicklern, Bauunternehmen und Vertriebspartnern sowie einer neuen Produktionsstätte für Unterputz-Spülkästen in Saudi-Arabien gegen.
Alexander Botar, der seit Anfang 2023 für die Frankfurter Lunatec GmbH den Vertrieb in den VAE aufbaut, musste vor allem lernen, dass sich die deutsche und arabische Geschäftskultur deutlich unterscheiden. "Während es in Deutschland oft schwierig ist, überhaupt in Kontakt mit potenziellen Kunden oder Partnern zu kommen, geschieht dies in Dubai sehr leicht. Allerdings bedeutet ein erster positiver Austausch hier wenig – rund 80 bis 90 Prozent der Leads verlaufen im Sande." Wie in Deutschland will der Spezialist für Geschäftsprozessautomatisierung in erster Linie größere Kunden aus dem Mittelstand gewinnen und dabei mit lokalen Partnern wachsen. Dass die Emirate vom Ölstaat zur KI-Macht aufsteigen wollen, hat die Standortentscheidung maßgeblich beeinflusst. Geduld und Hartnäckigkeit haben sich ausgezahlt. "Wir konnten bereits erste Kunden gewinnen, unser Team erweitern und vielversprechende neue Technologiepartner identifizieren", so Botar.
Die meisten Dienstleister arbeiten auf Vorkasse
Als weitere Herausforderung nennt der Manager die Zahlungsmentalität. "Es gibt viele Unternehmen, die Dienstleistungen beauftragen, diese erhalten – und dann verschwinden, ohne zu zahlen." Daher arbeiten die meisten etablierten Dienstleister in Dubai nur auf Vorkasse. Diese verbreitete Unsicherheit führe dazu, dass viele seriöse Unternehmen neue Anbieter erst einmal kritisch beäugten. Zudem gebe es hohe Anfangskosten: Mieten etwa müssen in der Regel für mehrere Monate im Voraus bezahlt werden. Last but not least gilt Dubai zwar als technologisch fortschrittlich, insbesondere im Alltag: Behördengänge, Versorgungsanschlüsse oder Anträge lassen sich oft in wenigen Minuten per App erledigen. Doch sobald ein Vorgang von der Norm abweicht, sei es, dass zum Beispiel ein Passbild-Format falsch oder die SIM-Karte defekt ist, stößt man auf Herausforderungen.
In die Zukunft blicken die deutschen Unternehmen überwiegend optimistisch. "Wir intensivieren die Zusammenarbeit mit Planern, Architekten und Designern, um maßgeschneiderte, luxuriöse Wellness-Lösungen in hochklassige Projekte zu integrieren", unterstreicht Schmied von Grohe. Gleichzeitig wolle man mit wassersparenden Armaturen, Duschsystemen und Unterputz-Spülkästen die Nachhaltigkeitsziele der VAE noch stärker unterstützen.
Nachhaltigkeit spielt eine "immer zentralere Rolle"
Herrenknecht sieht Wachstumschancen vor allem wegen der fortschreitenden Urbanisierung, die neue Infrastrukturlösungen erfordert. Hinzu kommen Auswirkungen des Klimawandels wie Starkregen-Ereignisse, deren Folgen durch unterirdische Lösungen abgemildert werden können. Mittelfristig große Wachstumschancen erwartet auch Pfleiderer. Nicht nur im Wohnungsmarkt, sondern auch bei Büros, Schulen, Shoppingmalls wachse die Region täglich. "Dabei spielt Nachhaltigkeit in Wirtschaft und Bau eine immer zentralere Rolle, was uns als Branchenführer im Bereich Nachhaltigkeit entgegenkommt", betont Pfleiderer-CEO Frank Herrmann.
Und auch der Tourismus freut sich über die steigende Beliebtheit bei Reisenden. Die Metropole mit der spektakulären Skyline lockt Geschäftsreisende und Touristen gleichermaßen. Indoor Skipisten, Infinity-Pools in luftiger Höhe, die weltlängste urbane Seilrutsche sowie lange saubere Sandstrände ziehen auch verwöhnte Globetrotter an. Laut Marktforscher Euromonitor International lag Dubai im Jahr 2024 mit 18,2 Millionen Einreisenden auf Rang sieben der meistbesuchten Städte der Welt. Das zieht auch die Airlines an. Condor schickt seit 2024 täglich einen gut gebuchten Flieger von Berlin nach Dubai, Eurowings fliegt seit 2023 von Berlin und Stuttgart nach Dubai. Die Guides vor Ort werden auch künftig gut beschäftigt sein.
Erst Anfang Januar 2025 hat Martin Henkelmann die Leitung der Deutsch-Emiratischen Industrie- und Handelskammer (AHK) in Dubai übernommen. Im Interview schildert er die spannenden Perspektiven und Herausforderungen, die die aufstrebenden Golfstaaten für deutsche Unternehmen bereithalten.