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Veränderte Weltlage setzt Betriebe unter enormen Anpassungsdruck

Produktionen werden verlagert, Lieferantenportfolios erweitert
Grafik WBO 2022 Veränderungen global

© DIHK

Deutsche Unternehmen sehen sich gezwungen, ihre globalen Standortentscheidungen und Lieferstrategien an die sich verändernde Weltlage anzupassen: Im AHK World Business Outlook der deutschen Auslandshandelskammern (AHKs) gibt ein Drittel der 4.200 im Frühjahr befragten Betriebe an, internationale Standorte derzeit kritisch auf den Prüfstand zu stellen.

Mehr als ein Drittel der Unternehmen hält es für notwendig, aufgrund der aktuellen globalen Verwerfungen die Risiken von neuen Standorten gänzlich neu zu bewerten. Auch sehen 34 Prozent der weltweit aktiven deutschen Betriebe eine Zunahme von politischem Einfluss auf die Lieferketten auf sich zukommen. "Nicht nur der russische Angriffskrieg in der Ukraine mit seinen Folgen zeigt, dass ein kompletter Ausfall von Geschäftsbeziehungen möglich ist", sagt DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier.

Die Umfrage belegt zudem, dass mehr als ein Viertel der weltweit vernetzten Unternehmen ihr Lieferantenportfolio auch über Regionen hinweg vergrößern wollen und dass mehr als ein Fünftel eine Verlagerung von Produktion an neue Standorte als notwendig ansehen. "Bei Entscheidungen über Lieferanten, Transportwege und Produktionsstandorten müssen Betriebe neben rein betriebswirtschaftlichen Faktoren nunmehr immer stärker politische Risiken berücksichtigen", erläutert Treier. Deshalb spiele beispielsweise auch der unterschiedliche Umgang von Staaten mit der Corona-Pandemie eine Rolle. 

China: Lockdown und Protektionismus bremsen Engagement

Der seit Wochen andauernde strikte Lockdown in China hat etwa dazu geführt, dass sich derzeit knapp die Hälfte der dort ansässigen deutschen Unternehmen (47 Prozent) gezwungen sehen, ihre Standorte kritisch zu überdenken. Jedes achte Unternehmen erwägt sogar, das Land zugunsten eines Standortes näher am europäischen beziehungsweise deutschen Heimatmarkt zu verlassen. Hinzu kommt der zunehmende Protektionismus in der Volksrepublik, den etwa jedes zweite in China ansässige deutsche Unternehmen (56 Prozent) langfristig erwartet.

"Am Beispiel China sehen wir, dass Unternehmen ihre Standortentscheidungen nicht über Nacht fällen", so Volker Treier. "Es braucht meistens Jahre, sich hier zu etablieren, und bei der Größe des Landes fällt eine Verlagerung umso schwerer. Desto erstaunlicher ist das Umfrageergebnis."

Grafik WBO 2022 Lieferketten

© DIHK

Neuausrichtung der Lieferketten bietet auch Chancen

Ein weiterer Faktor sind die anhaltenden Störungen der Lieferketten: Ein Drittel der deutschen Unternehmen im Ausland fühlt sich durch veränderte politische Einflussnahme auf die Lieferketten zum Überdenken des Auslandsgeschäfts gezwungen. "Wer jetzt noch nicht den Schritt ins Ausland gewagt hat, tut sich in absehbarer Zeit sehr schwer, ihn zu machen", gibt der DIHK-Außenwirtschaftschef zu bedenken.

Gleichwohl bietet die Neuausrichtung der Lieferketten eine erfolgversprechende Chance, neue Bezugsquellen und Absatzmärkte in punkto nachhaltige Produktion, klimafreundliche Energiegewinnung und Export von Zukunftstechnologien zu erschließen.

Gerade jetzt "stärker in die Welt hinaus"

Ganz dringend braucht die Wirtschaft dabei die Unterstützung der Politik, um beispielsweise durch gute Freihandelsverträge den Zugang zu den Märkten zu gewährleisten. 

Einer Renationalisierung von Wertschöpfungsketten erteilt Treier eine Absage: "Es ist aus betriebs- wie auch aus volkswirtschaftlicher Perspektive richtig und wichtig, Standorte und Transportwege anzupassen. Es ist aber ein Trugschluss, dass es einem Land wie Deutschland zum Vorteil gereicht, wenn es sein internationales wirtschaftliches Engagement zurückdreht. Wenn wir unseren Wohlstand halten oder ausbauen wollen, müssen wir gerade jetzt stärker in die Welt hinaus. Wir werden weder alles, was wir brauchen selbst herstellen können, noch genug erwirtschaften, wenn wir unsere Produkte nur an uns selbst verkaufen."

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Carolin Herweg Referatsleiterin Internationale Konjunktur

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Julia Fellinger Pressesprecherin