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EU-Taxonomie vereinfachen – dann dynamisch und in der Praxis handhabbar umsetzen

Die Regulierungen im Bereich Sustainable Finance sollten die Finanzierung der Transformation der Wirtschaft fördern und nicht hemmen. Der Zugang der Unternehmen zu Finanzierungsmitteln muss dafür erleichtert statt erschwert werden. Die Transformation von bislang "braun" bewerteten Unternehmen zu "grünen" Unternehmen muss im Mittelpunkt einer "Transformations-Taxonomie" stehen. Die Regelungen sollten daher eher Ziele beschreiben und dynamisch im Zeitablauf an die aktuellen Entwicklungen angepasst werden: Externe Schocks wie die aktuelle Energiekrise sollten ebenso wie technologische Entwicklungen in der Taxonomie aufgegriffen werden können. Eine solche atmende, kooperative Regulierung ist für die Unternehmen deutlich einfacher zu handhaben, als es engmaschige und statische Vorgaben sind, die in vielen Fällen die Bedingungen der Unternehmen nicht richtig widerspiegeln.

Wichtigstes Ziel der EU-Taxonomie-Verordnung sollte sein, die Transformation der Wirtschaft und vor allem den Übergang der Unternehmen hin zu mehr nachhaltigem Wirtschaften zu fördern und die Finanzierung der Transformation zu sichern. Benötigt wird eine Transformations-Taxonomie!

Viele Unternehmen hinterfragen, inwieweit sich mithilfe der Taxonomie die angestrebte klima- und umweltpolitische Transformation erreichen lässt. In der Praxis sind betriebliche Wertschöpfungsketten nicht eindeutig zuzuordnen. Geschäftsmodelle ändern sich im Zeitablauf. Unternehmen kombinieren wirtschaftliche Tätigkeiten wie "braune" und "grüne" Produktion. Einzelne Aktivitäten können oft nicht trennscharf in nachhaltig oder nicht-nachhaltig eingeteilt werden. Eine sich anpassende und kontinuierlich in Kooperation mit der Wirtschaft weiterentwickelte Regulierung würde daher der Transformation besser dienen als kleinteilige und statische Vorgaben. Gleichzeitig dürfen sich die Bedingungen nicht zu oft und schnell verändern, um die notwendigen Investitionen der Unternehmen zu ermöglichen.

Unternehmen, die in ihren Betriebsabläufen heute noch viel CO2 emittieren müssen, machen sich vielfach auf den Weg, ihre Produktionsverfahren und Energieversorgung umzustellen. Dieser Wandel hin zur Klimaneutralität sollte aus Sicht der Mehrheit der Betriebe nicht ausgebremst werden, indem der Zugang zu Finanzierungen für die notwendigen Investitionen durch zu hohe Anforderungen erschwert wird. Zudem tragen zahlreiche, heute noch emissionsintensive Branchen zur Herstellung von Klimaschutztechnologien bei; beispielsweise werden in jeder Windkraftanlage große Mengen Stahl oder Kupfer verbaut. Das Angebot an "grün" produziertem Stahl ist hingegen aufgrund der hohen technischen Komplexität des Produktionsprozesses weltweit sehr begrenzt.

Aktuelle Entwicklungen, wie etwa die neue Bedeutung der Energie- und Versorgungssicherheit sowie mehr Investitionen in sicherheitsrelevante Bereiche wie die Herstellung von Rüstungsgütern, können zwar in der EU-Taxonomie als einem Regelwerk, das kontinuierlich ausgeweitet werden soll, abgebildet werden. Die bereits heute hohe Komplexität wird allerdings dann zunehmen.

Der Gesetzgeber sollte davon Abstand nehmen, einzelne Wirtschaftsbereiche von vornherein als nicht-taxonomiekonform einzustufen. Die EU-Taxonomie-Verordnung sollte stattdessen so ausgestaltet werden, dass alle Unternehmen die Chance haben, einen Transformationsprozess hin zu einer stärkeren Nachhaltigkeit einzuleiten und finanziert zu bekommen. Zu strenge Vorgaben können auch dazu führen, dass sich die Unternehmen im unregulierten "grauen Kapitalmarkt" ihre Finanzierung suchen. Die Regulierung der Banken und die Anforderungen an die Unternehmen müssen synchronisiert sein.

Letztlich muss vermieden werden, dass Unternehmen ohne eine angemessene Zeit für Anpassungen gezwungen werden, ihren Produktionsstandort in ein Land außerhalb der EU zu verlagern. Wenn dort keine den EU-Regelungen entsprechenden Anforderungen an die Nachhaltigkeit existieren, haben solche Verlagerungen keine positiven Auswirkungen auf Umwelt und Klima, zudem schwächen sie den Wirtschaftsstandort Europa.

Die IHK-Organisation fordert deshalb auch für die Ausarbeitung der sogenannten "erweiterten Taxonomie", die den Übergang von einer fossilen in eine ökologisch nachhaltige Wirtschaft zum Gegenstand hat, die Orientierung an allgemeinen Leitlinien, um der Heterogenität der Wertschöpfung Rechnung zu tragen.