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Deutsche Wirtschaft für Weltoffenheit und gegen Ausländerfeindlichkeit

DIHK-Resolution

Verunsicherung und diffuse Ängste

Wir erleben in Deutschland derzeit eine widersprüchliche Situation: Trotz guter Wirtschaftslage und niedrigster Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung ist die Verunsicherung bei vielen Menschen hierzulande augenscheinlich groß: Zukunftsängste ziehen sich durch nahezu alle gesellschaftlichen Gruppen. Die Ursachenforschung dazu ist nicht abgeschlossen, die Gründe sind in jedem Fall vielfältig: die Auswirkungen von Globalisierung und Migration, die Digitalisierung und insbesondere die damit verbundenen Veränderungen der Arbeitswelt, die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in Ost und West sowie die Diskussion über die Herausforderungen der demografischen Entwicklung.

Es sind oft diffuse Ängste vor Veränderung, die der Nährboden für politische Populisten sind. Und daran knüpfen die Hass-Botschaften von Rechtsextremisten an, die sich gegen die Kernwerte unserer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft richten. Deshalb ist es so wichtig, dass wir die Ängste der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen und ihnen ein positives Zukunftsbild gegenüberstellen. Wir als deutsche Wirtschaft sehen uns dabei besonders in der Pflicht: Unternehmerinnen und Unternehmer, Führungskräfte aber auch Ausbilderinnen und Ausbilder – jeder einzelne kann durch Engagement und Optimismus dafür werben, dass es sich lohnt Neues zu wagen und mutig nach vorne zu schauen. Wir betrachten diese Herausforderung auch als Chance für einen achtungsvolleren Umgang und eine offenere Kommunikation.

Deutsche Wirtschaft international vernetzt

Kaum eine Wirtschaft ist international so vernetzt wie die deutsche. Allein in der Industrie hängt jeder zweite Arbeitsplatz am Export. Deutschlands Wohlstand wäre ohne die europäische Einigung und den Abbau von nationalen Barrieren nicht nur für Waren und Dienstleistungen, sondern auch für die Menschen auf unserem Kontinent in dieser Form undenkbar. Das Bild von Made in Germany in der Welt ist geprägt von Qualität, Zuverlässigkeit und Innovationen. Deshalb entscheiden sich auch immer mehr ausländische Unternehmen, einen Standort in Deutschland zu eröffnen und Arbeitsplätze hierzulande zu schaffen. Unsere Unternehmen sind gern gesehene Partner rund um den Globus, denn sie engagieren sich über den Tag hinaus mit langfristigen Geschäften, aber auch mit der Ausbildung von Fachkräften. Das Leitbild der Ehrbaren Kaufleute und die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen gehören zum Grundverständnis der sozialen Marktwirtschaft. Sie werden von Unternehmen hierzulande ebenso gelebt wie im internationalen Geschäft und an ausländischen Unternehmensstandorten. Weltweit gefragte Qualitätsprodukte und eine weltoffene Unternehmenskultur sind Kernbestandteile unseres globalen Erfolgs.

Durch den wirtschaftlichen Austausch kommen sich auch Menschen über Grenzen hinweg näher – aus wirtschaftlichen Beziehungen werden Partnerschaften, die über den konkreten geschäftlichen Kontakt hinausgehen. In diesem Bereich ist das weltweite Netz der Auslandshandelskammern (AHKs) mit 140 Büros in mehr als 90 Ländern eine wichtige Basis, um über die Grenzen von Kulturen und Religionen hinweg zum beidseitigen Vorteil zusammenzuarbeiten.

Demokratie und Rechtsstaat sind Basis unseres unternehmerischen Handelns

Weltoffenheit, Toleranz und grenzüberschreitender Austausch zahlen sich nicht nur in der Handelsbilanz aus. Sie sind zentrale Werte unseres auf Zusammenarbeit, Kreativität und Entfaltung angelegten Wirtschaft- und Gesellschaftsmodells. Denn es geht hier in Deutschland aktuell um noch sehr viel mehr als um unser Image auf den Märkten dieser Welt: Manche politischen Akteure hierzulande rütteln an den Grundfesten von Demokratie und Rechtsstaat. Auch das verstehen wir als Angriff auf das deutsche Wirtschaftsmodell. Denn Demokratie und Rechtsstaat sind ebenfalls Grundlage und Basis unseres unternehmerischen Handelns in einer freien Gesellschaft. In der Flüchtlingsfrage können und müssen Politik und Gesellschaft um unterschiedliche Positionen und Lösungsansätze ringen – aber verbale Hetze und physische Gewalt gegen Menschen verbieten sich grundsätzlich und immer.

Verletzungen unserer Gesetze müssen unmittelbar verfolgt und konsequent bestraft werden!

Selbstverständliche Integration in Betrieben

Wenn Menschen miteinander arbeiten und gemeinsam Probleme lösen, haben sie in der Regel über kulturelle Grenzen hinweg ein gutes Verhältnis. Diese tägliche Praxis in vielen deutschen Betrieben prägt unsere Überzeugung, dass Integration funktioniert und auch in Zukunft funktionieren kann. Zudem: Etwa 40 Prozent aller neuen Unternehmen werden von Menschen mit Migrationshintergrund gegründet. Sie tragen zum Wohlstand des Landes und gesellschaftlichen Zusammenhalt bei. Wir werden diese gelebte Integration intensiv pflegen und gegen alle Versuche verteidigen, einen Keil in unsere immer internationaleren und vielfältigeren Belegschaften zu treiben.

Konkrete Erfahrungen vermitteln die Chancen der Vielfalt besser als das öffentliche Bekenntnisse und politische Diskussionen je können. Das gilt für Einheimische wie für Zuwanderer gleichermaßen. Wichtig ist, dass Konflikte und Probleme offen angesprochen werden können. Die direkte Begegnung in der Arbeitswelt beugt der Entstehung von Parallelwelten vor.

In Betrieben verbessern Zugewanderte ihre Sprache, hier lernen sie gesellschaftliche Regeln rund um Zeit- und Pünktlichkeitsverständnis, das Verhältnis von Frauen und Männern. Sie erleben Unterschiede in der Körpersprache, beim Verhältnis zum Geld, im Umgang mit Religion und vieles mehr. Zur Lernerfahrung gehört, dass aus Unkenntnis über gesellschaftliche Gepflogenheiten auf beiden Seiten Missverständnisse entstehen können. Diese Missverständnisse auszuräumen, auch dafür setzen sich die Betriebe tagtäglich ein – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter untereinander, aber auch die Geschäftsleitungen und Betriebsräte. Diejenigen, die arbeiten und sich in unsere Gesellschaft einbringen können und wollen, leisten gemeinsam etwas für den Wohlstand unseres Landes. Sie dabei zu unterstützen, erachten wir als unsere Pflicht als Ehrbare Kauffrauen und -männer.

Gute Bildung: Weniger Unsicherheit, mehr Offenheit

Eine der zentralen Antworten auf die aktuellen gefährlichen Entwicklungen sehen wir in besserer Bildung – wer gut gebildet ist und mit Zuversicht sein eigenes Leben, gerade auch sein Berufsleben in die Hand nimmt, der ist nicht nur weniger leicht zu verunsichern. Er ist auch weniger anfällig für scheinbar einfache, ausländerfeindliche und freiheitsgefährdende Parolen. Daher geht es aus Sicht der Wirtschaft bei einer guten Bildung in Schule, Berufliche Bildung und Hochschule nicht nur um wünschenswerte und dringend erforderliche Verbesserungen in Mathematik, Fremdsprachen sowie digitalen Fähigkeiten. Es geht vielmehr auch darum, dass wir in den Familien, Schulen, Hochschulen und Betrieben jungen Menschen wieder mehr die Grundlagen unseres Zusammenlebens vermitteln. Wir müssen dabei in einer sich schnell ändernden Welt mehr Zuversicht vermitteln – das erhöht nicht nur ihre Kreativität und Leistungsfähigkeit in den Betrieben, sondern lässt sie auch selbstverständlicher und optimistischer in einer durch kulturelle Vielfalt geprägten Welt leben.

Offenheit gegenüber Zuwanderung im Laufe der Zeit gewachsen

Wir als Unternehmerinnen und Unternehmer haben aus der Geschichte gelernt. In der Zeit des Nationalsozialismus hat sich die Unternehmerschaft bis auf wenige Ausnahmen mit dem Regime arrangiert. Seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland haben Unternehmen und verfasste Wirtschaft aber den demokratischen Auftrag an- und ernst genommen. Dabei war die Offenheit gegenüber Arbeitskräften aus dem Ausland von Beginn an, ein wichtiger Wert und spätestens in der Zeit von Wirtschaftswunder und Vollbeschäftigung dann auch wirtschaftlich dringend erforderlich. Seit jeher ist die Zuwanderung kluger Köpfe und geschickter Hände ein Innovationsgewinn für alle Regionen in Deutschland.

Fach- und Führungskräfte im Ausland gewinnen

Heute ist angesichts der Demografie einerseits und guter Beschäftigungsentwicklung andererseits der Fachkräftemangel das zentrale Geschäftsrisiko für die deutschen Unternehmen. Unternehmen suchen in ganz Deutschland, über viele Branchen und Regionen hinweg, händeringend nach qualifizierten Fachkräften. Rund 1,6 Millionen Stellen können deshalb längerfristig nicht besetzt werden. Diese Situation wird sich sogar noch verschärfen, weil in den nächsten Jahren deutlich mehr Menschen in den Ruhestand gehen als junge Menschen ins Berufsleben einsteigen.

Die deutsche Wirtschaft ist deshalb dringend auf qualifizierte Fachkräfte aus dem In- und Ausland angewiesen. Wir brauchen daher dringend ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz, mit dem wir erfolgreich in aller Welt Fach- und Führungskräfte für unsere Betriebe gewinnen können. Neben unbürokratischen Regeln zur Einwanderung muss Deutschland aber zugleich das Signal senden, dass qualifizierte Menschen aus aller Welt mit ihren Familien hier bei uns willkommen sind. Ausländerfeindliche Tendenzen und die Bilder der Berichterstattung prägen das Bild Deutschlands in aller Welt negativ – und schrecken verständlicherweise gute Fachkräfte ab. Schon heute sind wir aber auf qualifizierte Einwanderung angewiesen – zuletzt haben Menschen mit ausländischem Pass rund jeden zweiten zusätzlichen Arbeitsplatz in Deutschland besetzt, sonst wäre es um den Fachkräftemangel noch viel dramatischer bestellt.

Nicht alles bei der Integration dieser Menschen in unser Land ist gut gelaufen, hieraus müssen wir die richtigen Schlüsse ziehen. Dennoch sind die meisten Migranten der ersten Stunden und ihre nachfolgenden Generationen in unserer Gesellschaft angekommen.

IHK-Organisation unterstützt Integration

Für die Integration von Geflüchteten in die Betriebe setzen wir uns als IHK-Organisation auch deshalb aus tiefster Überzeugung ein. Vor drei Jahren haben wir zur Unterstützung der Integration Geflüchteter das Aktionsprogramm 'Ankommen in Deutschland – Gemeinsam unterstützen wir Integration' beschlossen und mit Unterstützung durch das Bundeswirtschaftsministerium das Unternehmensnetzwerk 'Unternehmen integrieren Flüchtlinge' mit inzwischen fast 2.000 Mitgliedern gegründet. Seither haben wir viel dazu beitragen können, dass Jugendliche im Rahmen einer dualen Ausbildung Fuß in unseren Betrieben fassen konnten. Zudem wurden Geflüchtete bei ihrer Existenzgründung begleitet und Unternehmen bei allen Fragen rund um die Beschäftigung der zu uns gekommenen Menschen unterstützt.

Es geht bei den IHK-Aktivitäten nicht darum, dass wir das Image vordergründig verbessern. Wir müssen alles für funktionierende Regionen tun, die Zuversicht, Optimismus und Handlungsfähigkeit ausstrahlen. Die IHK-Organisation wird sich deshalb in Zukunft noch stärker mit konkreten Aktivitäten vor Ort für ein weltoffenes Deutschland einsetzen – #GemeinsamWeltoffen leben:

  • IHK-Veranstaltungen gemeinsam mit weiteren Partnern stellen die weltoffene Unternehmenskultur und Beispiele für gelungene Integration vor, zum Beispiel 'Wirtschaft spricht – Austausch zwischen Geschäftsleitungen und Beschäftigten unterschiedlicher Herkunft'.
  • Mit der Fortsetzung unseres Aktionsprogramms und der Arbeit des Unternehmensnetzwerks wollen wir die Integration Geflüchteter in Ausbildung und Beschäftigung voranbringen.
  • Mit Workshop-Formaten wollen wir die Unternehmen ermutigen und unterstützen, in den eigenen Betrieben mit den Belegschaften die Bedeutung von Weltoffenheit zu thematisieren und konkrete Herausforderungen in der betrieblichen Integration anzugehen unter anderem mit Veranstaltungen wie 'Normalität Vielfalt?!' – Interkulturelle Trainings für Unternehmen, Workshops zum Thema 'Framing, Hate Speech, Hetze im Netz – Antwortstrategien entwickeln'
  • Die IHK-Organisation wird die Bedeutung von Einwanderung, ausländischen Beschäftigten für die regionale Wirtschaftsentwicklung noch stärker mit eigenen Analysen herausstellen unter der Überschrift 'Das wird man ja wohl noch hinterfragen dürfen! – Faktencheck zur Migration in Deutschland und IHK-Region'.

Über uns:

Die Industrie- und Handelskammern sind parteipolitisch neutral. Ihre Positionen leiten sich aus der gesetzlichen Aufgabe der Vertretung der wirtschaftlichen Interessen der gesamten Wirtschaft ab. Sie sind dem Leitbild der Ehrbaren Kaufleute verpflichtet. Vor diesem Hintergrund wendet sich der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) gegen ausländerfeindliche und nationalistische Bestrebungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.