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Neuer Außenhandelskompass für die EU

Altmodischer Kompass vor dem Hintergrund einer blauen Flagge mit EU-Sternen

Die europäische Außenwirtschaftspolitik braucht eine neue Ausrichtung

© serggn / iStock / Getty Images Plus

Im Juni stehen die Europawahlen und anschließend die Bildung einer neuen EU-Kommission an. Von deren wirtschaftspolitischen Prioritäten erhoffen sich die deutschen Unternehmen wichtige Weichenstellungen für eine Stärkung der Außenwirtschaft. Denn Deutschlands international eng vernetzte Wirtschaft steht wegen geopolitischer Herausforderungen und schwieriger Standortbedingungen unter Druck. Gleichzeitig hängt jeder vierte deutsche Arbeitsplatz am Außenhandel, in der Industrie ist es sogar jeder zweite.

Die EU sollte daher eine ehrgeizige Handelspolitik zur Priorität machen, um das weltweite Wirtschaften zu erleichtern. Dabei muss sich Europa für eine sich zunehmend entkoppelnde Weltwirtschaft rüsten und souveräner aufstellen. Hierzu hat die DIHK zehn Leitlinien verfasst, die der Politik Empfehlungen für die internationale Handelspolitik an die Hand geben. Insbesondere müssen Maßnahmen zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit ergriffen werden. 

Wettbewerbsfähigkeit und Offenheit statt Abschottung  

Geopolitische Spannungen, die Energiekrise, zunehmender Protektionismus und die Erosion multilateraler Regelwerke ändern die internationale Arbeitsteilung von Grund auf. Die Welthandelsorganisation WTO kann infolge der Blockade ihres Berufungsgremiums durch die USA geltende Handelsregeln nur noch beschränkt durchsetzen. Gleichzeitig verstärkt sich die wirtschaftliche Entkopplung zwischen den USA und China – mit großen Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft. Weltweite Handelsbeschränkungen in Form von Zöllen und anderen staatlichen Handelshemmnissen belasten die deutschen Unternehmen zunehmend.

Mehr Protektionismus und Abschottung auch seitens der EU hätten einen negativen Einfluss auf die Wirtschaft hierzulande. Denn Protektionismus schafft weder Wohlstand noch Arbeitsplätze. Im Gegenteil: Laut einer Studie des Peterson Institute for International Economics entsprechen die "Buy America"-Vorgaben der USA einem 26-prozentigen Importzollsatz, der die Steuerzahler in den Vereinigten Staaten über 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr kostet und somit der US-Wettbewerbsfähigkeit nachweislich schadet. Die EU sollte daher dem allgemeinen Trend zur Abschottung entschieden entgegentreten.  

Wirtschaftssicherheit und Lieferkettendiversifizierung 

Die USA und China sind aktuell Deutschlands wichtigste Handelspartner. An den Wirtschaftsbeziehungen mit beiden Ländern hängen Millionen Arbeitsplätze und hochkomplexe Lieferketten. Der wirtschaftlichen Entkopplung von Handelspartnern sollte daher kein Vorschub geleistet werden. Statt einen staatlich gelenkten Außenhandel voranzutreiben, muss sich die EU-Wirtschaftssicherheitsstrategie auf Diversifizierung und De-Risking konzentrieren. Entscheidungen über Lieferketten – also über Lieferanten, Lagerhaltung oder neue Betriebsniederlassungen – sollten dabei unternehmerische Entscheidungen bleiben.

Die deutschen Unternehmen nehmen bereits selbst entsprechende Risikoanalysen vor und wappnen sich zunehmend gegen drohende geopolitische Friktionen. Laut der jüngsten Ausgabe des AHK World Business Outlook, der die Positionen der Deutschen Auslandshandelskammern, Delegationen und Repräsentanzen (AHKs) zur Lage der Weltwirtschaft bündelt, bauen viele auslandsaktive Betriebe derzeit ihre Risikovorsorge aus. Damit wollen sie sowohl bei Lieferketten und Produktionsstandorten als auch bei Absatz- und Umsatzmärkten ihre Geschäftsrisiken streuen und dadurch resilienter werden. 

Weltmärkte öffnen und Handelshemmnisse abbauen 

Um die globale Öffnung von Märkten und Investitionsstandorten sowie einen gleichberechtigten Zugang voranzutreiben, sollte die EU die Handelsabkommen mit wichtigen Partnern wie Mercosur, Indien und Indonesien rasch abschließen. Ein besonderer Fokus sollte auch auf der Transatlantischen Partnerschaft, dem Indopazifik und der Nachbarschaft der EU liegen.

Nur mit verlässlichen Handelsregeln und einem bürokratiearmen Regulierungsumfeld kann die notwendige Diversifizierung der Lieferketten gelingen. Hierzu bleiben auch der Erhalt und die überfällige Reform der Welthandelsorganisation unerlässlich. Die EU sollte zudem stärker den Abbau von weltweiten Handelshemmnissen, eine mittelstandsfreundliche EU-Zollreform und zukunftssichere Vereinbarungen zum digitalen Handel vorantreiben. Nur mit einer EU, die bei diesen Themen entschlossen und geschlossen auftritt, haben die europäischen Unternehmen im internationalen Wettbewerb gute Chancen. 

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Kontakt

Mann im Haus der Deutschen Wirtschaft
Klemens Kober Referatsleiter Handelspolitik, transatlantische Beziehungen und EU-Zollfragen