Dominique Schuchmann und Wolfgang Kerber sind Geschäftsführer und Head of Production der renommierten Stuttgarter Animationsfirma M.A.R.K.13. International gefragte Fachkräfte zu gewinnen, wird immer schwieriger, sagen sie – das liege auch an der Deutschen Rentenversicherung.
Meine Herren, wie kann ich mir die Anfertigung eines Animationsfilms vorstellen?
Schuchmann: Noch immer ist die Ansicht weit verbreitet, dass das wie bei einer Realfilmproduktion abläuft. Dass da also jemand am Set steht und die Beteiligten anweist: Du leuchtest die Kulisse aus, du trägst das Kabel dort hinüber, du spielst die Effekte ein – "…und Action!" Dem ist aber nicht so. Die Unterschiede beginnen schon bei der Produktionsdauer für einen Spielfilm: Bei uns sind zwei oder drei Jahre nichts Außergewöhnliches. Auch die Art und Weise der Zusammenarbeit könnte verschiedener kaum sein.
Kerber: Wir sind viel weniger an Zeit und Ort gebunden als das bei einem Realfilm der Fall ist. Natürlich haben wir auch einen Produktionsleiter, der ein Projekt den gesamten Zeitraum über begleitet. Auch einen Regisseur gibt es. Aber unsere freischaffenden Animatoren sind oft über den halben Globus verteilt. Sie arbeiten, wann und wo sie wollen: bei sich zuhause oder im Café, nachts oder am Wochenende, einmal zehn oder fünfmal zwei Stunden. Manchmal brauchen wir sie für drei Tage, manchmal für eine Woche und in Einzelfällen für mehrere Monate oder ein Jahr.
Lassen Sie mich raten – und da fangen die Probleme an?
Schuchmann: Wann immer es möglich ist, stellen wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fest an. Doch viele hochspezialisierte Animatoren wollen keine Anstellung: Sie möchten flexibel und selbstständig von Auftrag zu Auftrag entscheiden, ob sie ihn annehmen oder nicht. Oder wenn wir einen Auftrag aus der schnelllebigen Werbebranche bekommen: Da dürfen oft nur wenige Tage zwischen der Beauftragung durch den Kunden und dem Abgabetermin vergehen – uns bleibt da keine Zeit, Leute einzustellen. Auch da greifen wir auf Selbstständige zurück.
Kerber: Nicht ohne Risiko. Wir müssen nämlich bei jedem Einsatz eines Freien versuchen, den möglichen Vorwurf einer Scheinselbstständigkeit zu vermeiden. Um diese Gefahr schon im Vorhinein ausschließen zu können, gibt es die Möglichkeit, ein Statusfeststellungsverfahren einleiten zu lassen. Damit wären wir auf der sicheren Seite. Das dauert aber viel zu lang. Bis dieses Verfahren abgeschlossen ist, sind die von uns benötigten Spezialisten längst zum nächsten Auftraggeber weitergezogen oder die Deadline des Werbejobs ist verstrichen. Sie haben keine Zeit und keine Lust, sich mit dieser Bürokratie auseinanderzusetzen.
Was tun Sie dann, um Risiko zu minimieren?
Kerber: Wir geben unser Bestes, uns akribisch an die gesetzlichen Vorgaben zur Vermeidung von Scheinselbstständigkeit zu halten. Aber: Die Arbeitswelt hat sich seit Inkrafttreten des Gesetzes gewandelt, dazu kommt der schnelle technische Fortschritt. Ein Beispiel: Einem Auftraggeber aus Hollywood sichern wir für der Erstellung einer bestimmten Sequenz vertraglich absolute Geheimhaltung zu. Den beteiligten Animator, einen freien Mitarbeiter, kann ich unter diesen Umständen nicht im Home-Office arbeiten lassen. Zu groß wäre die Gefahr eines Sicherheitslecks – und damit eines wirtschaftlichen Schadens für uns.
In diesem Fall wäre die freie Wählbarkeit des Arbeitsplatzes nicht gegeben.
Schuchmann: Richtig. Obwohl der Beschäftigte inhaltlich unabhängig, zeitlich ungebunden und kreativ-freischaffend arbeitet. Ein anderes Beispiel: Den Sachbearbeitern bei der Rentenversicherung ist wichtig, dass die Freelancer nicht weisungsgebunden tätig sind. Das ist auch grundsätzlich in Ordnung, darf aber nicht wortwörtlich auf unsere Produktionspraxis übertragen werden. Denn wie würde das konkret aussehen? Die Biene Maja ist nun mal gelb-schwarz, in allen Filmen und seit allen Zeiten. Wie sie sich bewegt, in welchen Bahnen sie durch das Blütenfeld fliegt, ob im Hintergrund am Himmel Wolken zu sehen sind oder nicht – das alles ist mitunter dem Animator überlassen. Aber die Biene in rot oder blau zu modellieren, tut mir leid, das geht einfach nicht.
Kerber: Was wir brauchen, ist mehr Flexibilität in der Handhabung mit Selbstständigen. Wir wollen die Besten der Besten – und die suchen sich aus, unter welchen Bedingungen sie arbeiten möchten. Kommen wir da mit einem Stapel Formularen und Vorgaben daher, winken sie genervt ab – weltweit gefragte Spezialisten können wir so nicht für uns gewinnen. Das gesetzliche Korsett müsste ein wenig gelockert werden. Zum Beispiel, indem man sagt: Wenn mindestens sechs der zehn festgelegten Kriterien erfüllt sind, dürfen beide Seite vom Vorliegen einer echten Selbstständigkeit ausgehen. Allein das würde unser Leben – und das der Selbstständigen – erheblich erleichtern.
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Urban ComplojReferatsleiter Politische Kommunikation