Der Jurist Stephan Benn ist 1. Vorsitzender der LiveInitiative Nordrhein-Westfalen e.V. und engagiert sich im Vorstand der LiveKomm, dem Verband der Musikspielstätten in Deutschland. Durch Beruf und Ehrenamt steht er im ständigen Austausch mit Unternehmen der Veranstaltungswirtschaft – und nimmt eine wachsende Unsicherheit bei arbeitsrechtlichen Fragestellungen wahr.
Herr Benn, Sie sind hauptberuflich Verwaltungsleiter des Gloria in Köln …
… in dem pro Jahr etwa 300 Veranstaltungen stattfinden, mit jeweils bis zu 1.000 Besucherinnen und Besuchern. Wir beschäftigen 20 Festangestellte und 60 Aushilfen, die zum Gelingen der Konzerte, Lesungen und Shows beitragen. Gerade bei den Tontechnikern und Produktionsleitern müssen wir – wie praktisch alle Betriebe unserer Branche – zusätzlich auf freie Kräfte zurückgreifen. Ansonsten würden wir die Fülle an Veranstaltungen nicht bewerkstelligen können.
Warum stellen Sie die freien Beschäftigten nicht an?
Tontechniker sind Freigeister. Sie wollen selbst bestimmen, welche Auftritte sie begleiten, und ihren Marktpreis selbst bestimmen. Zusammen mit anderen Spezialisten wie Veranstaltungstechnikern, Lichttechnikern und Produktionsleitern sind sie gesuchte Fachkräfte. Uns bleibt also nur die Wahl: Mit ihnen entweder als Freie zusammenzuarbeiten oder gar nicht.
Wie sieht die Zusammenarbeit konkret aus?
Viele Tontechniker machen, ähnlich wie andere Spezialisten der Veranstaltungsbranche, zwei oder drei größere Tourneen im Jahr. In den Wochen dazwischen sind sie in bis zu zehn verschiedenen Locations zu finden. In dieser Zeit sind sie für uns und andere Betriebe als Selbstständige tätig.
Und da kommt es mitunter zu Missverständnissen?
Aus der Branche hören wir bereits seit einiger Zeit, dass bei Betriebsprüfungen stärker auf den Sozialversicherungsstatus geachtet wird. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Problematisch wird es erst, wenn die prüfenden Stellen andere Maßstäbe anlegen als in den Jahren zuvor: Dann wird aus jahrelang geübter Praxis plötzlich ein Fall fürs Gericht. Das stößt vielen Betrieben bitter auf – zu Recht.
Was müsste sich aus Ihrer Sicht ändern?
Die Unternehmen brauchen Rechtssicherheit: praxistaugliche Beschäftigungsmodelle, klare und verlässliche Kriterien, transparente Prüfvorgänge. Wenn wir bei der Kalkulation einplanen müssen, dass Nachzahlungen auf uns zukommen könnten, müssen wir sie als Kosten miteinrechnen. Mit verhängnisvollen Folgen: Höhere Ausgaben führen zu teureren Eintrittskarten, das brächte weniger Publikum und eine sinkende Anzahl von Veranstaltungen mit sich, worunter wiederum Künstler und das heimische Kulturleben leiden würden.
Kontakt
Urban ComplojReferatsleiter Politische Kommunikation