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Könnten Unternehmen ihren Erdgasbezug kurz- oder mittelfristig drosseln?

DIHK-Kurzbefragung zeigt grundsätzliches Interesse an Auktionsmodellen
Ein Hammer fällt auf einen Resonanzblock

Zum ersten, zum zweiten, ... Können Auktionen zum Problemlöser im Gassektor werden?

© boonchai wedmakawand / Moment / Getty Images

Wenn Erdgas noch knapper wird, wird auch die Wirtschaft ihre Bezugsmengen herunterschrauben müssen. Ob Unternehmen bereit wären, gegen eine Kompensation auf Gaslieferungen (teilweise) zu verzichten und ob Auktionsmodelle ein geeignetes Mittel sein könnten, hat der DIHK im Juni ermittelt.

Die Energiekrise hat die deutschen Unternehmen auch ohne Gas-Lieferstopp schon länger über die hohen Preise für Strom und Gas erreicht. Die Risiken eines Gasembargos sind für die deutsche Wirtschaft hoch: Sie reichen von Produktionseinschränkungen bis hin zu einem Produktionsstopp. Betriebliche Effizienzreserven sind in der Industrie sehr weitgehend ausgeschöpft, Umstellungen auf andere Energieträger sind in der Regel produktionsbedingt nicht möglich und wenn doch, dann scheitert das oft an Genehmigungsverfahren. Auktionsmodelle sind vor diesem Hintergrund ein wichtiger Baustein, um in der jetzigen Alarmstufe Gaseinsparungen anzureizen und Speicher aufzufüllen.

Daten und Beteiligung an der Befragung

Wir haben die Unternehmen in einem Zeitraum von zwei Wochen (7. Juni bis 24. Juni 2022) befragt, ob und unter welchen Bedingungen sie bereit wären, auf (Teil-)Mengen ihres Gasbezugs gegen eine Kompensation zu verzichten, wie es Auktionsmodelle vorsehen.

Es beteiligten sich 239 Betriebe an der Befragung. Diese stammen zu rund 75 Prozent aus dem Bereich Industrie; auf Bau, Handel und Dienstleistungen entfällt das übrige Viertel. Die Unternehmen vereinen insgesamt eine Anschlussleistung für Gas von rund 6.500 Megawatt. Dies zeigt, dass sich viele große Gasverbraucher an der Befragung beteiligt haben.

Grundsätzliche Bereitschaft zu Beteiligung

Knapp 150 Unternehmen – mit zum Teil mehreren Standorten in Deutschland – verfügen über eine Gasanschlussleistung von mehr als einem Megawatt und sind damit potenziell interessant für die Beteiligung an einer Gasauktion. In der Summe können diese Betriebe erhebliche Einsparmengen zur Verfügung stellen.

Mögliche Abschaltleistung

Mehr als 40 Prozent der Unternehmen mit mehr als einem Megawatt Anschlussleistung sehen sich grundsätzlich in der Lage, gegen eine entsprechende Kompensation zeitweise auf Gas zu verzichten und wären bereit, sich an einer Auktion zu beteiligen. Für diese Unternehmen lohnt es sich mehr, gegen Kompensation auf Gas zu verzichten, als bei extrem hohen Energiepreisen gegebenenfalls mit Verlusten zu produzieren. Die Unternehmen in unserer Befragung stehen für eine Anschlussleistung von 3.500 Megawatt. In der Tendenz steigt das Interesse an einer Beteiligung mit der Unternehmensgröße. Die Betriebe sind bereit, 1.300 Megawatt in die Auktion einzubringen. Das entspricht knapp 38 Prozent ihrer Anschlussleistung.

Zwei Drittel der an einer Auktion interessierten Betriebe berichten, dass sie gegen eine entsprechende Kompensation für mehrere Wochen abschalten können (siehe Abbildung). Manche Unternehmen würden auch noch länger auf Gasbezug gegen eine ausreichende Entschädigung verzichten.

Grafik Dauer Abschaltleistung

© DIHK

Einige Betriebe geben an, dass sie die Abschaltung nur anbieten können, wenn eine Umstellung auf Heizöl möglich ist. Andernfalls kann nicht auf Gas verzichtet werden. Voraussetzung für die Beteiligung dieser Unternehmen an einer Auktion sind also schnelle Genehmigungsverfahren, da immissionsschutzrechtliche Genehmigungen für den Betrieb der Anlagen mit Heizöl in der Regel nicht mehr vorliegen dürften.

Benötigte Vorlaufzeit

Lediglich jeder fünfte auktionsbereite Betrieb benötigt einen längeren Vorlauf als vier Wochen. Eine Auktion kann nach unseren Rückmeldungen also auch kurzfristig durchgeführt werden und die damit verbundenen Einsparungen schnell erfolgen.

Mindestpreis

Nur ein Teil der auktionsbereiten Unternehmen kann derzeit bereits konkret beziffern, welche Kompensationshöhe in Euro je Megawattstunden notwendig ist, um auf Gas verzichten zu können und nicht die eigene Existenz zu gefährden. Der durchschnittliche Preis über alle Firmen liegt bei 250 Euro/Megawattstunden. Die Spannweite reicht dabei von 30 bis über 1.000 Euro/Megawattstunden. Diese Bandbreite lässt sich beispielsweise aus der unterschiedlichen Wertschöpfung, die mit einer Megawattstunden Gas erzielt wird, erklären. Ein weiterer Grund kann in den vertraglichen Strukturen mit Abnehmern der hergestellten Güter liegen, die eine Weitergabe von hohen Energiekosten möglich oder unmöglich machen.

Hinweise zur Ausgestaltung der Ausschreibung auf Basis der Befragung

  • In den Firmen, in denen ein Verzicht auf Gas möglich ist, besteht ein großes Potenzial an Abschaltleistung gegen Entschädigung, und zwar bereits bei Betrieben mit einer Anschlussleistung von einem Megawatt. Deshalb sollten diese Unternehmen an einer Auktion teilnehmen können.
  • Auf der Basis unserer Kurzbefragung gehen wir davon aus, dass in der Wirtschaft über ein Auktionsmodell bis zum Jahresende 2022 bis zu 10 TWh bei entsprechender Kompensation eingespart werden könnten. Das entspricht etwa einem Prozent des gesamten jährlichen Gasverbrauchs oder drei Prozent des Gasbedarfs in der Industrie. Damit ließen sich die Gasspeicher um (zusätzliche) vier Prozentpunkte auffüllen.
  • Die Schätzung des Einsparpotenzials ergibt sich vor allem auch daraus, dass die meisten Firmen keinen langen Vorlauf benötigen, um auf Gas verzichten zu können. Eine Auktion müsste aber rasch starten, um einen substanziellen Beitrag zur Vermeidung einer Gasknappheit leisten zu können.
  • Gegebenenfalls könnten in der Ausschreibung zwei Segmente gebildet werden: Ein Sprintersegment für kurzfristige Einsparung und eine Langstrecke für eine längerfristige Einsparung. Eine Präqualifikationsbedingung, die darauf abzielt, nur sehr kurzfristige Einsparungen zu ermöglichen, würde auf der Basis unserer Befragung für den kommenden Winter Potenziale verschenken.
  • Da derzeit noch nicht alle Unternehmen konkret benennen können, wie hoch eine Kompensation sein muss, sollte ein möglicher Höchstwert in der Auktion nicht zu tief gesetzt werden. Andernfalls könnte es sein, dass Potenziale nicht ausgeschöpft werden.
  • Der Verzicht auf Gas ist in einigen Fällen nur durch einen Brennstoffwechsel möglich. Dafür ist es dringend nötig, die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.
  • Bei 10 TWh Gaseinsparung und einem durchschnittlichen Zuschlag von 250 Euro/Megawattstunden würden sich Kosten von 2,5 Milliarden Euro für 2022 ergeben.

Kontakt

Dr. Sebastian Bolay Bereichsleiter Energie, Umwelt, Industrie

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Porträtfoto Ulrike Beland
Dr. Ulrike Beland Referatsleiterin ökonomische Fragen der Energie- und Klimapolitik