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"Es geht auch um Esskultur"

Bäckerei-Chef Heinrich Traublinger sorgt sich um Nachwuchs und Tradition
Heinrich Traublinger Bäckerei

Heinrich Traublinger in seinem Traditionsbetrieb: "Bitte nicht den Hund prügeln, wenn das Herrchen gemeint ist"

© Bäckerei Traublinger GmbH

Heinrich Traublinger führt in vierter Generation die "Bäckerei Traublinger GmbH" in München. In mittlerweile 20 Filialen werden klassische Brotprodukte genauso wie regionale Spezialitäten angeboten. In unserem Interview nimmt Heinrich Traublinger Stellung zu den aktuellen Plänen aus Berlin.

Herr Traublinger, warum beschäftigt Sie das geplante Süßwaren-Werbeverbot?

Heinrich Traublinger

Heinrich Traublinger

© Bäckerei Traublinger GmbH

Auch wir Bäcker sind betroffen. Wir backen nicht nur mit Mehl, Hefe und Eier, sondern auch mit Vanillezucker und Sonnenblumenöl. Werben dürfen wir deswegen für unsere Produkte in Zukunft wohl nicht mehr – oder nur noch zu bestimmten Zeiten. Wenn's ganz blöd kommt, muss ich die Werbeplakate an meinen Filialen morgens abhängen und darf sie erst abends wieder anbringen.

Für Aktivitäten in den sozialen Medien sehe ich ebenfalls schwarz. Wir Handwerksbetriebe können uns die großen Kampagnen nicht leisten, deswegen sind wir im Internet sehr aktiv. Auf Facebook, Instagram und TikTok präsentieren wir unsere Produkte und Dienstleistungen. Diese Plattformen haben aber noch eine weitere wichtige Funktion für uns: Wir geben Einblicke in unseren Arbeitsalltag, direkt aus der Backstube, und werben so um Nachwuchs. Oder wie sonst sollen wir heute junge Menschen erreichen und für das Handwerk begeistern?

Welche Auswirkungen hätte das Werbeverbot für Ihren Betrieb?

Wir bewerben – ob nun auf Plakaten, im Internet, in regionalen Zeitungen oder in kleinen Radiosendern – besonders Produkte, die wir zeitlich begrenzt anbieten. Im Frühjahr sind das Osterfladen und Muttertagsherzen, in der fünften Jahreszeit verschiedene Krapfen und rund um Weihnachten Honiglebkuchen und Baumkuchenspitzen. Ohne Werbung könnten wir viele Kundinnen und Kunden nicht rechtzeitig erreichen – fehlt dann das traditionelle Gebäck auf dem Feiertagstisch, gibt's lange Gesichter.

Für mich ginge damit ein Stück Esskultur verloren. Unsere Traditionen leben auch von regionalen und saisonalen Speisen, die bei kleinen Lebensmittelbetrieben um die Ecke erworben werden. Und die haben es durch Fachkräftemangel und Energiekrise bereits schwer genug. Eine Werbeverbot würde den Druck weiter erhöhen. Übrigens: Die Traublinger-Bäckereien gibt es seit 111 Jahren – noch nie in all der Zeit waren wir mit dem Vorwurf konfrontiert, unsere Produkte würden dick machen. Weil sie es nicht tun. Es liegt in der Verantwortung der Eltern, ihre Kinder zu mehr Bewegung anzuhalten. Also: Bitte nicht den Hund prügeln, wenn das Herrchen gemeint ist.

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Porträtfoto Urban Comploj
Urban Comploj Referatsleiter Politische Kommunikation