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Europa wirtschaftlich unter Druck

Flaggen vor dem Sitz der EU-Kommission in Brüssel

Auch neuere EU-Gesetzesvorhaben belasten die Unternehmen

© Michele Spatari / NurPhoto / Getty Images

Europa als Wirtschaftsstandort gerät immer stärker unter Druck und braucht eine neue wirtschaftspolitische Agenda, um sich in einer verändernden Welt gut aufzustellen.

Die Industrie in Europa und dabei insbesondere in Deutschland wird vor allem durch die steigenden Energiekosten infolge des russischen Angriffskriegs zunehmend belastet. So zeigt das aktuelle IHK-Energiewende-Barometer, dass viele Industrieunternehmen in Deutschland aufgrund der hohen Energiekosten weniger investieren können. In der energieintensiven Industrie schränkt fast die Hälfte der Firmen ihre Investitionen sogar in den Kernbereichen ein. Der von der EU-Kommission vorgelegte "Net-Zero Industry Act" soll durch kürzere Genehmigungsverfahren die Produktion von günstigen erneuerbaren Energien und den dazugehörigen Technologien in der EU beschleunigen.

Die Europäische Union verliert dennoch als Wirtschaftsstandort gegenüber den USA mit deren unkomplizierterer Förderung durch den "Inflation Reduction Act" an Attraktivität. Besorgniserregend ist etwa die Folge in Deutschland: Gut 32 Prozent der deutschen Industriebetriebe planen oder realisieren die Verlagerung von Kapazitäten ins Ausland beziehungsweise die Einschränkung ihrer Produktion im Inland – eine Verdopplung gegenüber dem Vorjahr. Laut einer Sonderauswertung aus der letzten DIHK-Konjunkturumfrage gaben 33 Prozent kleinere Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten Kostenersparnis als Hauptmotiv für ihre Auslandsinvestitionen an – das ist fast so viel wie im Jahr 2004 (36 Prozent), als Deutschland "kranker Mann Europas" war. Nordamerika hat dabei in den letzten Jahren als Zielregion deutscher Auslandsinvestitionen an Bedeutung gewonnen.

Europa muss es nicht besser wissen, sondern besser machen!

Nur wenn es Europa gelingt, die nachhaltige Transformation der Wirtschaft mit wirtschaftlichem Erfolg zu verbinden, werden andere Regionen diesem Modell folgen. Die DIHK hat in einem 10-Punkte-Papier konkrete Forderungen aufgelistet, um die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Hierfür sind Faktoren wie Offenheit und Vernetzung im globalen Handel ebenso von Bedeutung wie die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte und die Gewährleistung einer zuverlässigen Energie- und Rohstoffversorgung. Aber auch die Sicherung der technologischen Souveränität in Schlüsselbereichen gehört zu den Herausforderungen. Zusätzlich sind kluge Regeln sowie eine effiziente Verwaltung, die die Förderung von Innovationen, Investitionen und wirtschaftlichem Wachstum erleichtern, aus Sicht der Wirtschaft unerlässlich.

Bürokratieabbau und schnellere Genehmigungsverfahren dringend notwendig

Daher stehen die Forderungen nach Bürokratieentlastung und Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für Unternehmen aller Branchen ganz oben auf der Agenda. Statt Entlastungen drohen gegenwärtig neue Belastungen durch weitere EU-Gesetzesvorhaben: das Lieferkettengesetz, die Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie und die Nachhaltigkeitsberichtsstandards, die Verpackungsverordnung und der Richtlinien-Entwurf für ein Recht auf Reparatur – um nur einige zu nennen. Angesichts der aktuell enormen Herausforderungen passen diese Vorhaben mit ihren erheblichen – sowohl administrativen als auch bürokratischen – Belastungen für die Wirtschaft nicht in die Zeit.

Energiepreise senken

Bis günstige erneuerbare Energie in ausreichendem Maße zur Verfügung steht, bedarf es einer unkomplizierten Entlastung von Unternehmen, beispielsweise über die Anhebung von Schwellenwerten für die Notifizierung von Beihilfen. Direktstromlieferverträge (PPA) zwischen Anbietern erneuerbarer Energien und verbrauchenden Unternehmen können zudem einen wichtigen Beitrag leisten, erneuerbare Energien schneller auszubauen. Solche PPAs stehen in Deutschland noch am Anfang und sollten durch Investitionsprämien und Entlastungen beim Netzentgelt unterstützt werden.

Diese Punkte machen deutlich: Die Liste der Hausaufgaben, welche die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten angehen müssen, ist inzwischen lang – Zeit sie anzugehen.

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Porträtfoto Christopher Gosau
Christopher Gosau Referatsleiter Europäische Wirtschaftspolitik